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Der Schwarze Phoenix

Titel: Der Schwarze Phoenix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
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nach vorne streckte. Seiner Sehkraft beraubt, musste er sich auf seine anderen Sinne verlassen, um sich ein Bild von seiner Umgebung zu machen. Der Geruch war überwältigend: eine widerwärtige Mischung aus Bier und Schweiß. Seine Ohren nahmen gedämpfte Unterhaltungen wahr, das gelegentliche Klirren eines Glases oder das Gluckern einer Flüssigkeit in einer Flasche sowie das Schaben eines Stuhlbeins auf dem Boden.
    Eine Hand packte Jonathan am Arm. Erschrocken sprang er zur Seite.
    »Ruhig, Junge. Ich bin’s nur. Ich werde dich zu einem Tisch führen, an dem du auf mich warten kannst. Ich will mit dem Barkeeper sprechen.«
    »Wo ist Arthur?«
    »Kurz davor, gegen den Tresen zu laufen. Ich hol ihn gleich.«
    »Wie sieht dieser Laden aus?«
    »Lass es mich so sagen, Junge: Ich weiß, warum sie das Licht auslassen. Jetzt komm mit.«
    Jonathan ließ sich an eine Stelle führen, von der er dachte, dass sie eine ruhige Ecke des Raums sei. Trotz Carnegies Führung schaffte er es, über die Füße eines verborgenen Zechers zu stolpern, der ihn aus der Dunkelheit heraus missmutig anfauchte. Er fühlte sich sicherer, als er saß, vor allem, als er Arthurs Stimme näher kommen hörte.
    »Hör mal«, protestierte dieser. »Wenn wir schon in dieser Spelunke rumlungern müssen, kannst du mich doch etwas zu trinken holen lassen.«
    »Keine Zeit«, erwiderte Carnegie knurrend. »Ich will hier nicht länger bleiben als unbedingt nötig. Jetzt setz dich.«
    Jonathan hörte einen dumpfen Aufprall neben sich, als Arthur auf seinen Stuhl gedrückt wurde, anschließend entfernten sich Schritte.
    Der Reporter trommelte mit seinen Fingern auf den Tisch.
    »Dieser Laden lässt einiges zu wünschen übrig«, murmelte er.
    »Bist du auch nervös?«, flüsterte Jonathan zurück.
    »Ich würde mich deutlich wohler fühlen, wenn ich wüsste, wo der nächste Ausgang ist. Ich achte immer darauf, dass ich das weiß, wenn ich ein Gebäude betrete. Ich habe versucht, mir den Weg zur Eingangstür einzuprägen, aber ich würde es ungern darauf ankommen lassen.«
    »Ich auch nicht.«
    Am Tisch herrschte wieder Schweigen. Während er immer noch nichts sehen konnte, hatte Jonathan den Eindruck, dass sein Gehörsinn sich langsam schärfte. Wenn er angestrengt lauschte, konnte er Carnegies barsche Stimme am Tresen erkennen. Es musste sich ein weiterer Tisch in ihrer Nähe befinden, denn er hörte jemanden gluckernd trinken und nach jedem Zug zufrieden seufzen. Irgendwo links von ihm sprachen zwei Männer nervös miteinander. Jonathan beugte sich vor und versuchte, sie zu belauschen.
    »… es ist wahr, glaub mir. Ich habe es von einemButler gehört, der für den Ripper arbeitet. Thomas macht es nicht mehr lange. Bestenfalls noch ein paar Monate.«
    »Das überrascht mich nicht. Er ist ja nicht mehr der Jüngste.«
    »Das ist trotzdem keine gute Nachricht. Es würde mich überraschen, wenn eines seiner Kinder sich als so stark erweisen würde wie Thomas. Er ist der geborene Führer. Die Leute behaupten, dass James sich zum Ebenbild seines Vaters entwickelt hätte, aber wir wissen ja, welches Ende es mit ihm genommen hat. Es war ein schwarzer Tag für Darkside, als er ermordet wurde, das sag ich dir.«
    »Nicht so laut! Man weiß nie, wer zuhört …«
    Anschließend wurde die Unterhaltung wieder so leise, dass Jonathan ihr nicht mehr folgen konnte. Er seufzte und lehnte sich zurück. Die interessanten Neuigkeiten im »Mitternacht« nahmen rapide ab. Er war erleichtert, als er Carnegie zum Tisch zurückstapfen hörte. Eine Hand streifte seinen Arm.
    »Wie ist es gelaufen?«, fragte er überschwänglich.
    »Halt die Schnauze, du Drecksstück!«
    Das war nicht Carnegies Stimme. Jonathan hätte laut aufgeschrien, aber er spürte, wie ihm eine Klinge an den Hals gedrückt wurde. Auf einen dumpfen Schlag neben ihm folgte ein schmerzerfülltes Stöhnen von Arthur. Ein stoppeliges Gesicht presste sich an seines. Der schwere Atem seines Angreifers roch nicht unangenehm würzig.
    »Ganz alleine hier? Wer soll dir jetzt helfen?«
    Als Jonathan antworten wollte, spürte er, wie ihm die Klinge fester an den Hals gedrückt wurde.
    »Du musst nicht schreien«, flüsterte der Angreifer beruhigend. »Wir können uns ganz friedlich unterhalten, nur du und ich.«
    »Was … was wollen Sie?«
    »Ich will wissen, was du hier tust. Sitzt neben einem Reporter. Dein Freund – ein Privatschnüffler, wenn meine Augen mich nicht täuschen – stellt an der Bar Fragen. Persönliche

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