Der Schwarze Phoenix
damit verbracht, Mordfälle zu dokumentierenund alte Akten aufzuarbeiten. Von all den Hunderten von Leichen, die ich gesehen habe, war nur eine jemals so zugerichtet wie diese. Und das war die von James Arkel.«
Die Temperatur im Raum sank schlagartig um einige Grad. Carnegie seufzte und rieb sich die Augen, während Lucien nachdenklich an seinen Fingernägeln kaute. Arthurs Blick verriet, dass er es zu bedauern schien, diesen Namen auch nur erwähnt zu haben.
»Entschuldigt, aber wer ist James Arkel?«, fragte Jonathan.
»Gute Frage«, ertönte eine amüsiert klingende Stimme von der Tür herüber. »Du solltest Reporter werden.«
Ein Junge lehnte mit den Händen in den Hosentaschen gelangweilt im Türrahmen. Er hatte seine Ärmel hochgekrempelt, und seine oberen Hemdknöpfe waren offen, sodass er so viel wie möglich von seinem muskulösen Körper zur Schau stellte. Obwohl er etwa so alt wie Jonathan aussah, umgab er sich mit einer lässigen Arroganz, und seine Stimme triefte vor Überheblichkeit.
»Harry Pierce, ich habe dir hundert Mal gesagt, dass du anklopfen sollst, bevor du eintrittst«, wies Lucien ihn zurecht. »Dies ist ein schlechter Zeitpunkt.«
»Entschuldigung, Chef. Aber hören Sie mal – er ist ja wohl die einzige Person in Darkside, die nicht weiß, wer James Arkel ist. Der wäre was für die heutige Ausgabe unserer ›Ob Sie es glauben oder nicht‹-Seite!«
»Ich bin nicht von hier«, erwiderte Jonathan kühl.
»Gut, dann kläre ich dich mal auf.« Bevor irgendjemand ihn aufhalten konnte, zog Harry sich einen Stuhl heran. »James Arkel ist das berühmteste Mordopfer in der Geschichte Darksides, und du kannst mir glauben, dass es ein hartes Wettrennen um diesen Titel gab. Vor zwölf Jahren wurde er tot auf dem Dach des Kain-Club gefunden, und egal wie er gestorben ist, es war sicherlich kein Vergnügen. Wie auch immer, das Gerücht machte schnell die Runde, dass dies keine normale Leiche war, sondern niemand Geringeres als der Sohn von Thomas Ripper, dem Enkel von Jack the Ripper und derzeitigem Fürsten von Darkside. Wobei sich die Frage stellt, wie lange es der alte Knabe noch machen wird …«
»Harry!«, ermahnte ihn Arthur.
»Ist ja gut. Entschuldigung, Chef. Wie dem auch sei, Thomas war so wütend, dass er den ganzen Laden auseinandergenommen hat, um den Schuldigen zu erwischen, aber der Mörder wurde nie gefunden. Bis heute weiß niemand, wer es wagen würde, einen Ripper zu ermorden und – fast noch wichtiger – warum. War es ein Serienmörder? Oder war es jemand vor der nächsten Blutnachfolge gelungen herauszufinden, dass James ein Ripper war?«
»Blutnachfolge? Was soll das denn sein?«
Harry lachte ungläubig. »Wieder so eine naive Frage nach etwas so Offensichtlichem. Gibt es überhaupt irgendetwas, das du weißt?«
»Das reicht, Pierce«, unterbrach ihn Lucien. »Ich denke, wir haben deine Anwesenheit für heute zur Genügegenossen. Und hör verdammt noch mal auf, uns zu belauschen!«
Der Junge verneigte sich spöttisch und zog sich zurück.
»Tut mit leid«, entschuldigte sich Lucien. »Ich sollte diesen Klugscheißer wirklich feuern. Das Problem ist, er hat das Zeug, ein guter Reporter zu werden. Wir können es uns nicht leisten, wählerisch zu sein. Unser Personal wird von Tag zu Tag weniger.«
Er sah Carnegie an.
»Verstehen Sie jetzt, warum wir die Sache so ernst nehmen? Vielleicht ist nichts dran, aber wenn es auch nur den Hauch einer Verbindung zum Mord an James gibt, wäre es die Sache wert. Was meinen Sie?«
»Sie wissen, wie viel ich normalerweise verlange?«
Lucien lächelte.
»Ihr Ruf eilt Ihnen voraus, und ich würde es nicht im Traum wagen, Ihnen weniger zu bieten.«
Carnegie klopfte sich mit einer Kralle gegen seine Zähne und spuckte auf den Boden.
»Dann sind wir im Geschäft. Genug geredet. Komm, Junge, wir müssen rausfinden, wer der Kerl ist.«
»Und wie wollen wir das bitte anstellen?«, fragte Jonathan säuerlich. Nach seinem Streit mit Carnegie und dem herablassenden Auftritt von Harry war er mit sich und der Welt unzufrieden.
Der Wermensch ignorierte den Unterton in seiner Stimme und wandte sich an die anderen.
»Nun, wir mögen vielleicht noch nicht wissen, wer er ist, aber wir wissen, wo er war. Richtig?«
Jonathan zuckte mit den Schultern, während Lucien und Arthur ihn erwartungsvoll ansahen.
Carnegie schüttelte den Kopf.
»Meine Güte. Reporter! Was, hattest du noch mal gesagt, hast du bei ihm gefunden?«
»Ähm …
Weitere Kostenlose Bücher