Der schwarze Prinz
zu strafen, dass sie Wittich, die Frucht der Untreue seiner Gemahlin, in ihrer Mitte aufgenommen hatten und ihn in Ehren hielten, obwohl er, wie es den Anschein hatte, schon seit Langem tot war?
Der Gedanke, dass vielleicht der Gott der See selbst in unmittelbarer Nähe war, sandte Svenya einen Schauer über den Rücken und sie entschied, so schnell es ging wieder von hier zu verschwinden.
Sie wollte gerade auf das Schwert zuschwimmen, als sie bemerkte, dass irgendwas in dem Wasser ganz nah bei dem Ritter anders war als im Rest der sie umspülenden Fluten. Es schien, als wäre das Wasser dort dichter, beinahe schon gelartig. Was immer es sein mochte, es bewegte sich, und je genauer Svenya hinsah, umso mehr wurde ihr bewusst, dass das seltsame Phänomen nahezu menschliche Gestalt hatte - nur um einiges größer. Immer deutlicher konnte sie die Konturen der Gestalt erkennen ... sie waren weiblich ... grazil und stellenweise überirdisch schlank ... beinahe schon dürr.
Die Gestalt streckte einen Arm aus, die durchsichtige Hand an dessen Ende fasste mit langen, dünnen Fingern nach dem Griff des Schwertes, und langsam wurde die Klinge aus der goldenen Scheide gezogen.
11
Svenya überlegte fieberhaft, was sie tun konnte gegen eine nahezu unsichtbare Gegnerin, die obendrein mächtig genug war, die neun Töchter Rans zu töten. Ein Frontalangriff erschien hier nicht besonders klug. Nicht, solange sie weder wusste, mit wem sie es zu tun hatte noch über welche Kräfte ihr Gegenüber verfügte. Wer war diese Fremde? War es Ran selbst? Aber welchen Grund sollte die Göttin haben, ihre eigenen Töchter zu schlachten wie Vieh? War es womöglich die Gefährtin des Schwarzen Prinzen, Lau’Ley? War sie dazu in der Lage, eine solche Form anzunehmen? War das, was Svenya sah, vielleicht sogar ihre wahre Gestalt? In diesem Moment wünschte die Hüterin sich, sie hätte sich nach dem Kampf auf dem Fichtelberg die Zeit genommen, mehr über die Mutter des Leviathans herauszufinden.
Doch egal, wer hinter dieser Tarnung steckte, Svenya musste Mimung an sich bringen. Es durfte nicht in die falschen Hände geraten, sonst war das Schicksal Midgards so gut wie besiegelt. Und wenn ein Frontalangriff nicht infrage kam, gab es nur eine Alternative. Svenya ließ den Doppelspeer schrumpfen, hängte ihn zurück an den Gürtel, konzentrierte sich zwei Herzschläge lang und schwamm dann mit aller Kraft los - so schnell sie konnte. Sie gewann sogleich an Tempo und steuerte genau auf die freie Stelle zwischen der ihr den Rücken zukehrenden Gestalt und deren Arm zu. Dahinter hatte die Hand das Schwert bereits zur Gänze aus der goldenen Scheide gezogen. Svenya schlüpfte durch die enge Lücke, streckte die Finger beider Hände rasch nach vorne aus und packte die Klinge ... mit aller Kraft, ohne ihre Geschwindigkeit zu drosseln.
Das Schwert ruckte frei aus dem Griff der Fremden und wurde schlagartig unsichtbar, doch gleichzeitig zuckte ein wilder Schmerz von Svenyas Handflächen ausgehend durch sie hindurch wie ein Blitz, und sie hätte die Waffe beinahe wieder fallen lassen. Sie hatte damit gerechnet, dass ihr Panzer sie vor der Doppelschneide schützen würde, aber Alberich hatte anscheinend nicht übertrieben, als er behauptet hatte, Wieland sei ein besserer Schmied gewesen als er selbst. Die magische Klinge ging durch ihren Panzer wie ein heißes Messer durch Butter und schnitt ihr tief in die Hände und die Gelenke ihrer Finger.
Svenya biss die Zähne zusammen und kämpfte den Schmerz nieder, um sich von ihm nicht bremsen zu lassen, doch sie konnte nicht verhindern, dass die Schnitte in ihr Fleisch jetzt Blutspuren im Wasser hinterließen. Blutspuren, die trotz ihrer Unsichtbarkeit ihren Aufenthaltsort preisgaben.
»Wer wagt es?!«, brüllte die Gestalt, die sie jetzt hinter sich gelassen hatte, mit mächtiger Stimme wütend auf, und Svenya beschleunigte so sehr sie konnte - dabei jetzt um jede Deckung, die sich bot, Haken schlagend und mit beiden Händen zum Heft des Schwertes umgreifend, damit sie sich an den Schneiden nicht noch mehr verletzte.
»Ich kann dein Blut sehen!«, rief die Stimme hinter ihr, und Svenya hörte, wie weitere Teile des Tempels zusammenbrachen. Offenbar wählte ihre Verfolgerin den direkten Weg - durch jedes Hindernis hindurch, das ihr in die Quere kam.
»Ich kann es sogar riechen!« Der Vorsprung verringerte sich merklich. »Du entkommst mir nicht!«
Svenya erkannte, dass sie sie unmöglich im geraden Spurt
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