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Der schwarze Regen

Der schwarze Regen

Titel: Der schwarze Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flavio Soriga
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dreißigjährigen Mannes mit tausend Erinnerungen auf, sie leerten die Tässchen, füllten sie wieder, das Feuer brannte hoch, der junge Mann stand auf und ging zur Stereoanlage, ein sehr hartes Englisch begann zu singen, Ich bin in der Wüste geboren, bin jahrelang gekrochen, Jesus, komm näher, ich glaube, meine Stunde hat geschlagen, ich habe verbrannte Erde und Unwetter, die Hölle und ein Meer von Unglück durchquert, um dir meine Liebe zu bringen, ich bin auf Berge geklettert und habe das Meer überquert, aus dem Paradies vertrieben, auf Knien habe ich einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, ich habe Gott im Himmel verflucht, das Paradies verlassen, um dir meine Liebe zu bringen, um dir meine Liebe zu bringen.
     
    Was weißt du über Marta Deiana?
    Der junge Mann antwortete nicht sofort, setzte sich wieder, streckte die Hände zu den Flammen aus. Dass sie gern mit Männern geschlafen hat, sagte er, Weniger als behauptet wird und mehr als man hier ertragen kann, dass sie noch immer so schön war wie vor zwanzig Jahren, vielleicht noch schöner, dass sie ein Marsmensch in einem Land von Toten war.
    Ich langweile dich, Maresciallo, ich sage dir immer wieder die gleichen Dinge, aber vielleicht kann ich dir schon in Kürze etwas Wichtiges sagen, wenn du noch ein wenig Kraft hast, meinem Geknurre zuzuhören.
    Du langweilst mich nicht, sagte Crissanti, der junge Mann fuhr fort.
    Weißt du, was Nuraiò ist? Ein Dorf, in dem man wie in den Fünfzigerjahren denkt, aber man isst und konsumiert dreimal so viel wie damals, ein Dorf von ultramodernen Konsumenten, die im Kopf rückständig geblieben sind.
    Weißt du, wie viele erklärte Homosexuelle es hier gibt? Nicht einen. Und wie viele Fälle von Pädophilie in den letzten fünfhundert Jahren gemeldet wurden? Nicht einer. Und Scheidungen, seit es die Scheidung gibt? Sieben, und zehn Trennungen in zehn Jahren, ich habe die Statistik. In einem Dorf mit siebentausend Einwohnern, findest du das normal? Sind das realistische Zahlen für dich? Sie sind nicht realistisch, Maresciallo, aber wir tun alle so, als wären sie es, damit Ruhe und Frieden herrscht und Don Mulas zufrieden ist.
    Du suchst jetzt nach der Wahrheit, aber du musst dir sagen, ich schere mich einen Dreck um die Wahrheit, mit der Wahrheit verhält es sich wie mit meinem Vater: unerklärlich unnütz, die Wahrheit ist, dass Marta eine Hure war, dass sie einen knackigen Arsch hatte, mit dem sie wunderbar wackeln konnte, und dass sie tot ist, scheiß auf sie und scheiß auf Efisietto, der sich in all diesen Jahren Hörner hat aufsetzen lassen, das musst du dir sagen.
    Sie schwiegen erneut, dachten an ihre Dörfer, an den Hass an die Liebe, die sie empfanden, und Crissanti dachte an Efisietto und Salvatore, an die Hautrückstände unter Martas Fingernägeln, die vielleicht etwas erklären, vielleicht entscheiden würden, ob es der Ehemann gewesen war und der Zeuge sich irrte und der Fall damit geklärt wäre oder ob man weitersuchen müsste, er dachte an Meloni, der im Haus und auf der Straße ermittelte, an den Richter, der nachmittags vielleicht zum Tennispielen gehen würde, der an jenem Mittag vielleicht, lächelnd elegant, im Corsaro gespeist hatte, der junge Mann dachte an etwas Wichtiges, das er Crissanti zu sagen hatte und nicht wusste wie er es sagen sollte, er sah erneut den Freund an und begann wieder zu sprechen.
    Ein wunderschönes ausländisches Mädchen hat mir einmal gesagt, ohne diese Spur von Selbstironie, die mich retten würde, wäre ich der langweiligste Mensch auf der Welt. Tja, manchmal, Martino, habe ich das Gefühl, dass wir beide, ich und du, die Ironie verlieren, über uns selbst und über unsere Dörfer und über diese tote Insel, manchmal denke ich, dass ich und du, wenn wir nicht vorher krepieren, die langweiligsten Vierzigjährigen der Welt sein werden – er holte Atem, zündete sich eine Zigarette an, bot dem Freund eine an, betrachtete ihn, machte einen Zug, Es ist nicht Efisietto gewesen, sagte er.
    O Gott, dachte der Maresciallo, Er auch, er fragte, sagte nichts, hoffte, dass der Freund weitersprechen würde.
    Mehr kann ich dir nicht sagen, aber er ist es nicht gewesen.
    Warst du ebenfalls dort?
    Wo?
    Zusammen mit diesem Dummkopf Efisio und was weiß ich noch wem, Zio Salvatore vielleicht?
    Von Salvatore weiß ich nichts, und ich war hier und habe gelesen. Aber Efisio ist es nicht gewesen.
    Crissanti war nicht wütend und hatte auch keine Lust, wütend zu werden, mehr zu erfahren,

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