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Der schwarze Regen

Der schwarze Regen

Titel: Der schwarze Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flavio Soriga
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lade den Friseur vor und sprich allein mit ihm, mit dem Gemeindearzt mit dem Fleischer, fahr fort, Fragen zu stellen, denn so wie sie Efisietto gesehen haben, haben sie möglicherweise auch andere gesehen, besinnen wir uns wieder auf die guten alten Methoden des guten alten Berufs, finde heraus, wer ins Haus gegangen ist, ruf mich sofort an, wenn du etwas weißt, Gewiss, antwortete der andere und hielt an, denn er war bereits bei Giovanni, Kein Spaziergang, sagte sich der Maresciallo, stieg aus, verabschiedete sich von dem Gefreiten, der Wind hatte sich gelegt, die Sonne wärmte ein wenig.

15
    Was für ein Typ ist dieser Richter?
    Groß, kahl an den Schläfen, schöne Schultern und durchaus gebildet, er muss in einer dieser guten klassischen Universitäten studiert haben, ich glaube, er hat einen Onkel, der Untersekretär ist, und Ländereien in Ogliastra.
    Wie heißt er?
    Lorrai.
    Ach.
    Kennst du ihn?
    Ich kenne seine Tochter.
    Der junge Mann lächelte, er trug einen dünnen schwarzen Wollpullover mit rundem Ausschnitt, eine Samthose, von der chronischen Schlaflosigkeit hatte er eine gelborange Gesichtsfarbe, er rauchte braune Zigarillos und hatte dem Maresciallo einen Portwein eingeschenkt, und einen für sich, den er in kleinen Schlucken trank.
    Er ist ein tüchtiger Mann. Ich glaube, er ist nicht einmal allzu dumm oder überheblich. Für einen Richter, meine ich.
    Er ist nicht dumm. Er ist nur ein Richter, und er kommt aus der Stadt und besitzt Ländereien in der Sonne, und dieser Fall ist ihm vollkommen gleichgültig, und wenn du ihm keinen entscheidenden Beweis liefern kannst, dann wird er den Verdächtigen sicher nicht auf freien Fuß setzen, ganz gewiss nicht wegen der Zweifel des Gerichtsarztes.
    Du glaubst nicht, dass es Efisietto gewesen ist?
    Ich glaube nicht – er erwähnte mit keinem Wort Meloni und den geheimnisvollen Zeugen, sah den jungen Mann an und dankte ihm dafür, dass er sein Freund war, auch Giovanni sah ihn an, er wirkte nervös, schien etwas sagen zu wollen, sie schwiegen, tranken Portwein und rauchten.
    Hör mal, Martino, ich würde gern etwas wissen. Wie ist dein Vater gestorben, wer hat ihn getötet?
    Du hast mich geduzt, sprichst du mit dem Freund?
    Ja.
    Es freut mich, dass du mich ab und zu als Freund behandelst.
    Aber ich kann dir nichts von meinem Vater erzählen.
    Crissanti schwieg, starrte ins Feuer, er wirkte angespannt oder verlegen oder traurig oder alles zusammen.
    Mein Vater war ein stolzer Mann – er blickte erneut in die Flammen, beobachtete nur einen Augenblick das Gesicht des jungen Mannes, der seinen Portwein trank und nichts sagte, weder lächelte noch das Gesicht verzog, endlich einmal uneingeschränkt aufmerksam – Mein Vater war stolz und anständig und altmodisch und er hatte nicht begriffen, wollte nicht begreifen.
    Dass die Dinge sich ändern, dass die Dörfer sich ändern, alle, auch die, die verloren in den Bergen liegen, alle Dörfer verändern sich und alle Kinder verändern sich, sie haben die gleichen Gesichter von Zwanzigjährigen, wie die Generation vor ihnen, aber sie sind eine andere Spezies, eine andere Rasse geworden.
    Crissanti machte eine Pause, starrte den jungen Mann an, er lächelte leicht, Siehst du?, sagte er, Ich vergeude eine Menge Worte und erkläre nichts, man begreift nichts. Alle versuchen unsere Welt zu erklären, ich weiß, sie versuchen es in den Zeitungen, in den Büchern und in den Filmen, die Professoren und die Bürgermeister und die Priester versuchen es, und niemandem gelingt es, und ich bin nur ein Carabiniere und habe noch immer nichts begriffen von meinem Vater und von meinen Onkeln und Tanten und von der Ehre und von der Pflicht, nichts, dachte er, während er schwieg, dann fuhr er fort, Die Pistolen, vielleicht sind sie schuld.
    Die Pistolen, die die kleinen Jungen benutzten, die Pistolen, die wegen eines blöden Einfalls herausgeholt wurden, um eine alte Frau in ihrer Wohnung zu berauben, vielleicht ist das schuld, vielleicht auch die Tatsache, dass ein geliebter aufrechter alter Mann es nicht akzeptieren kann, eine Niete geworden zu sein, nur weil er keine Lust hat, auf dumme Minderjährige, die auf die Straßenschilder schießen und nichts im Kopf haben, mit Händen Fäusten Pistolen loszugehen.
    Oder es ist auch das nicht, und ich betreibe drittklassige Anthropologie. Siehst du, nicht einmal einem Freund kann ich es erklären.
    Der Maresciallo sagte nichts mehr, setzte erneut das distanzierte Lächeln eines

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