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Der schwarze Regen

Der schwarze Regen

Titel: Der schwarze Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flavio Soriga
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Gästen zulächeln, darauf achten, dass das Lächeln nicht zu Anzüglichkeiten einlädt.
     
    Da waren die Liebhaber aus Cagliari gewesen, und die Erinnerung an sie fällt ihr jetzt schwer und sie tut weh sehr weh, denn vielleicht waren das die schönsten Geschichten, der Junge mit den Negerlocken und den traurigen Augen und Büchern über Büchern in seinem Zimmer, Wut, weil er fliehen will, ohne einen Ort zu haben, wohin er gehen kann, ein Junge vor allem, mager und verwirrt, Zärtlichkeiten und Küsse am Meer, Klatsch, während sie einkaufen, Prüfungen, auf die sie sich gemeinsam vorbereiten, kleine Fluchten nach Chia und Carloforte, wird er der Mann sein, mit dem sie erwachsen würde?, er war es nicht, wer weiß warum.
    Und die Abschlussprüfung, ein paar Vertretungen, die erste Klasse in Nuraiò, die neuen Liebschaften im Dorf, die erste Mansarde ganz für sich allein, so ganz anders als die jetzige, Liebe und Nachmittage auf dem Land, wo sie dem Strömen des Flusses zuschauen, im Gebirge, wo sie den Spuren der Damhirsche folgen, am Strand von Giorgino nachts, wo sie schweigend fischen, die ersten Jahre in Nuraiò, neue Namen, neuer Klatsch: Rosenmund, erneut Hure, conca macca, Verrückte, und andere.
     
    Marta Deiana schläft, den Kopf auf dem Sofa, der Rock wird zerknittern, die Stereoanlage spielt immer noch, im Traum mischt sich alles, das Klavier die Erinnerungen, in Kürze wird sie den Jungen sehen, ihre größte Liebe, sie denkt nicht daran, die Frau, sie denkt an nichts, verloren im Schlaf hört sie die Tropfen, die fallen, dort auf der Straße, es ist fast drei.

2
    Sie hatten gebratenen Aal genommen und Calamari fritti, eine ganze Platte voll, jetzt waren sie satt und glücklich und die junge Frau ein bisschen beschwipst vom Wein und dem weißen Licht der Kerzen.
    Der Maresciallo hatte das Mobiltelefon ausgeschaltet gelassen, und es war ihm gelungen, nicht an Marta zu denken und auch nicht an die Hexen und an das weiße Gefängnis, er hatte sich auf die langen Gräten dieser Schlangenfische und auf das weiße Fleisch der Tintenfische konzentriert und, vor allem, auf die schwarzen Augen seiner Geliebten, auf ihren Blick eines verführerischen Mädchens, auf ihre Beine einer Tänzerin, auf ihren Pagenschnitt und auf alles Übrige, sie hatten sich über einen befreundeten Regisseur und über die bevorstehenden Osterferien unterhalten, sie hatten sich an die Tage in Rom erinnert, sich die Namen und Gesichter ihrer damaligen Freunde in Erinnerung gerufen, als Crissanti den Lehrgang für den Maresciallo besuchte und das Mädchen wie es sich gehört in einer Akademie arbeitete, nachdem er sich jahrelang in halb Italien von unten heraufgearbeitet hatte.
    Jetzt waren sie beim Nachtisch, bei den frittierten sebadas in Honig, bei den verliebten Sätzen, dem schelmischen Lächeln, der Lust, zu einem Haus, einem Bett zu laufen.
    Aber sie liefen noch nicht zur Wohnung der jungen Frau, sie rauchten noch eine Zigarette und gingen dann in enger Umarmung und erregt in die kalte Luft hinaus und zu Fuß weiter zu ihrem kleinen Lokal am Hafen mit Jazzpostern an den Wänden und Graffiti von schwarzen Schafen und goldgelben Katzen, Gläsern voll dunklem Wein und Pariser Hüten, setzten sich an einen Tisch in der Ecke und tranken einen Bitter und hörten einem schlanken blonden Jungen zu, der Saxophon spielte und alte Bebop-Stücke sang, und sie erinnerten sich noch an die Zeit, als sie ein Zimmer in Trastevere teilten und sich ganze Abende liebten, nur aufhörten, um die CD zu wechseln, um sich Gedichte auf Spanisch vorzulesen oder um, in einem Augenblick und ein für alle Mal, zu entscheiden, wer der beste Gitarrist aller Zeiten, der beste Tänzer, die sinnlichste Schauspielerin sei.
    Sie war ein schönes Mädchen, diejenige, die in diesem kleinen, von Zigarren- und Zigarettenrauch erfüllten Lokal Crissantis Arm drückte, sie war ein schönes Mädchen und war jetzt über dreißig, was man ihr aber nicht ansah, man konnte sie, mehr oder weniger, für zwanzig halten, und in diesem Augenblick hatte sie ein schönes Funkeln in den Augen und war glücklich, und auch der Maresciallo war glücklich und dachte nur von Zeit zu Zeit an Marta, für wenige Sekunden, gerade lang genug, um sich zu fragen, welches Licht die Augen der Frau zum Leuchten gebracht haben mochte, als sie am Abend zuvor ihrem Mörder gegenübergestanden war.
     
    Gehen wir?, fragte Roberta schließlich. Der Maresciallo nickte, nahm seinen Mantel und den der

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