Der schwarze Schattenjaeger
gekommen. Ich wollte dich nicht überrumpeln, entschuldige bitte, wenn ich dich erschreckt habe.“ Valom entschuldigt sich sogar, obwohl ich so unhöflich war, ihn um diese späte Uhrzeit noch anzurufen.
„I …“ Nur ein Quietschen entweicht meiner Kehle, das sich nicht gerade angenehm anhört.
„Ich bin sehr froh, dass du die Nummer nicht weggeworfen hast. Fühle dich bitte zu nichts verpflichtet. Du hast mir den Abend versüßt, es ist wirklich schön, deine Stimme zu hören und zu wissen, dass es dir gut geht. Wenn du mit mir reden möchtest oder mir schreiben magst, ich werde dir antworten. Setze dich nur nicht zu sehr unter Druck. Dir gehört all die Zeit dieser Welt, Thalis.“ Während er dies sagt, presse ich mein Ohr ganz fest an mein Handy, damit ich jede Silbe hören kann, die aus seinem Mund fließt. Ich habe ihm wirklich den Abend versüßt? Da ist sie wieder, diese Hitze, die sich nicht nur in meinem Gesicht ausbreitet, sondern meinen ganzen Körper erschauern lässt.
„Ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll …“, sage ich schließlich und kneife dabei meine Augen fest zusammen. Am liebsten würde ich jetzt losheulen, da es mich ärgert, wie dumm ich mich anstelle. Warum tue ich das nur? Mache ihm Hoffnung und schaffe es noch nicht einmal, einen vernünftigen Satz zu sagen! Ich mache mir doch nur selbst etwas vor, das alles bringt doch nichts. Und doch klammere ich mich an diesen kleinen Strohhalm, der vor mir liegt. Er ist porös und wird brechen, das weiß ich. Es bringt nichts, nach ihm zu greifen, und doch strecke ich meine Hand nach ihm aus.
„Wir müssen nichts sagen. Schweigen ist auch eine Kommunikation, die nicht zwingend negativ ist. Manchmal ist es schön zu wissen, dass da jemand ist, am anderen Ende der Leitung, oder am anderen Ende der Welt, der einem zuhört. Der versteht.“ Und wir schweigen tatsächlich. Sekunden vergehen, in denen mir seine Worte so weise vorkommen. Er hat ja recht mit dem, was er sagt. Mein Körper entspannt sich langsam und ich wage etwas auszusprechen, woran ich gerade denke: „Und manchmal sagen wir so viel und meinen damit doch nichts …“ Irgendjemand anderes hätte mich sicher dafür ausgelacht, aber Valom ist anders.
„Ja, das stimmt …“, pflichtet er mir bei. Sekunden der Stille vergehen, die mir vorkommen wie Minuten. Je länger dieses Telefonat dauert, in dem wir uns nur anschweigen, je mehr Tränen sammeln sich in meinen Augen, bis sie einfach über meine Wangen kullern.
„Entschuldige …“, sage ich, während ich sie mir wegwische.
„Ich wollte nicht weinen …“ Das Schluchzen war ihm sicher nicht entgangen, und auch wenn er mich nicht sehen kann, weiß er sicher, was ich gerade tue.
„Ist es dir unangenehm, dass ich jetzt bei dir bin?“, fragt er mich.
„Es ist nur nicht fair. Dir gegenüber meine ich“, antworte ich sofort.
„Ich meine … ich rede mit dir und du bist da für mich, obwohl ich schon wieder herumheule wie ein kleines Kind. Du hast sicher Besseres zu tun, als mir dabei zuzuhören, wie ich gar nichts sage oder ins Telefon weine, obwohl eigentlich gar nichts Schlimmes passiert ist.“
„Manchmal weinen wir auch aus Freude“, sagt er plötzlich. Aus Freude? Ja, da hat er recht. Manchmal tun Menschen das, aus Freude weinen. Aber ich tue es nicht. Ich weine nur manchmal, wenn mir alles zu viel wird und ich am liebsten laut schreien würde.
„Es gibt keine Freude in meinem Leben und ich möchte dich damit auch nicht belästigen. In Pemberton gibt es so viele tolle Mädchen, die hübsch und klug sind und Spaß an ihrem Leben haben, die gerne in der Natur sind und jeden Tag genießen. Ich bin anders. Ich bin nicht so wie die. Ich bin …“ Ich suche nach einem Wort, das mich am besten beschreiben würde. Verrückt oder unnormal will ich nicht sagen, obwohl die Wörter sehr treffend wären.
„Einzigartig“, sagt Valom schließlich. Das Wort hatte ich nun wirklich nicht im Sinn …
„Ich habe einfach keine Zeit, das meine ich gar nicht böse oder weil ich dich loswerden möchte. Aber mein Leben ist gerade echt nicht normal. Es ist anstrengend und ich würde dich damit nur belasten, und das möchte ich nicht. Ich will dich nicht deiner Fröhlichkeit berauben!“ Es würde wohl erst gehen, wenn meine Mom nicht mehr da wäre. Aber daran will ich nicht denken. Ich will sie nicht benutzen und wie jemanden darstellen, der mich ins Unglück stürzt. Sie ist meine Mom und ich liebe sie. Es ist die
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