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Der schwarze Schleier

Der schwarze Schleier

Titel: Der schwarze Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Temperament in einem Karren aber wäre selbst für die Geduldigsten unter Ihnen die Hölle. In einem Karren ist man so eng beieinander. Unter Ihnen sind Tausende von Paaren, die in Häusern, die fünf und sechs doppelte Treppen hoch sind, so gut miteinander auskommen wie Speiseöl über einen Wetzstein rinnt, die aber in einem Karren schnurstracks zum Scheidungsgericht rumpeln würden. Ob das Ruckeln es schlimmer macht, kann ich nicht entscheiden; aber in einem Karren kommt es zu einem nach Hause und bleibt da. Gewalt in einem Karren ist so
gewaltig
, und Ärger in einem Karren ist so
ärgerlic h
.
    Wir hätten ein so angenehmes Leben führen können! Ein geräumiger Karren, die großen Artikel draußen aufgehängt, das Bett darunter befestigt, wenn wir unterwegs waren, ein Eisentopf und ein Kessel, ein Ofen für das schlechte Wetter und ein Schornstein für den Rauch, ein Hängeregal und ein Schrank, ein Hund und ein Pferd. Was will man mehr? Man fährt auf ein Rasenstück an einem grünen Sträßchen, man fesselt dem guten alten Pferd die Vorderbeine und lässt es grasen, man zündet sein Feuer auf der Asche der letzten Besucher an, und dann kocht man sich sein Stew, und man würde nicht mal den Kaiser von Frankreich zum Vater haben wollen. Aber wenn man ein Temperament im Karren hat, das einem Beschimpfungenund die härtesten Artikel im Sortiment an den Kopf wirft, wo ist man dann? Lassen Sie ruhig Ihren Gefühlen freien Lauf.
    Mein Hund wusste genauso gut wie ich, wenn ihre Stimmung umschlug. Ehe es aus ihr herausbrach, jaulte er und machte sich aus dem Staub. Woher er das wusste, war mir ein Rätsel; aber das sichere Wissen darum weckte ihn aus dem tiefsten Schlaf, und dann jaulte er und machte sich aus dem Staub. Zu diesen Zeiten wünschte ich, ich wäre er.
    Das Schlimmste war, dass uns eine Tochter geboren wurde, und ich liebe Kinder von ganzem Herzen. Wenn sie ihre Wutanfälle hatte, schlug sie das Kind. Das wurde so entsetzlich, als das Kind vier oder fünf Jahre alt wurde, dass ich viele Male mit der Peitsche über der Schulter neben dem Kopf des alten Pferdes einherlief und sogar noch ärger schluchzte und weinte, als es die kleine Sophy tat. Denn wie konnte ich es verhindern? Derlei kann man bei einem solchen Temperament – und in einem Karren – nicht versuchen, ohne dass es zu Streit kommt. Es liegt in der natürlichen Größe und Beschaffenheit eines Karrens, die Dinge zum Streit kommen zu lassen. Und dann war das arme Kind noch mehr erschreckt als zuvor, zudem wurde es gewöhnlich schlimmer gequält, und seine Mutter beschwerte sich bei den nächsten Leuten, die wir trafen, und schon ging das Gerücht herum: »Hier ist ein Lump von einem Billigen Jakob, der wieder einmal seine Frau geschlagen hat.«
    Die kleine Sophy war ein so tapferes Kind! Sie wuchs heran und gewann ihren Vater recht lieb, obwohl er nur so wenig tun konnte, um ihr zu helfen. Sie hatte eine wunderbare Fülle schimmernden schwarzen Haars, das sich ganz natürlich um ihren Kopf lockte. Es ist mir heute noch erstaunlich, dass ich nicht völlig verrückt wurde, wenn ich sie vor dem Karren vor ihrer Mutter weglaufen sah und ihreMutter sie bei diesem Haar packte und daran zu Boden zerrte und sie schlug.
    Sie war ein so tapferes Kind, habe ich gesagt! Ah, und mit gutem Grund!
    »Nimm es dir beim nächsten Mal nicht so zu Herzen, lieber Vater«, flüsterte sie mir zu, und ihr Gesichtchen war noch gerötet, ihre strahlenden Augen noch feucht, »wenn ich nicht laut schreie, dann weißt du, dass mir nichts Schlimmes geschehen ist. Und selbst wenn ich schreie, dann nur, damit Mutter einhält und aufhört.«
    Was habe ich die kleine Seele nicht – um meinetwillen – klaglos ertragen sehen!
    Doch in anderer Hinsicht kümmerte sich ihre Mutter wunderbar um sie. Ihre Kleider waren immer sauber und adrett, und ihre Mutter arbeitete unermüdlich daran. So ungereimt sind die Dinge. Dass wir bei ungesundem Wetter im Marschland unten waren, halte ich für den Grund dafür, dass Sophy ein schlimmes schleichendes Fieber bekam; jedenfalls bekam sie es, und als sie es hatte, wandte sie sich für immer von ihrer Mutter ab und war durch nichts dazu zu bringen, sich von der Hand ihrer Mutter berühren zu lassen. Sie zitterte und sagte: »Nein, nein, nein«, wenn die Mutter ihre Hand anbot, und sie barg ihr Gesicht an meiner Schulter und umklammerte meinen Hals noch fester.
    Meine Geschäfte als Billiger Jakob waren schlechter gelaufen, als ich es je

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