Der schwarze Schleier
schon tiefer gesunken, als ich geglaubt hätte. Wie tief das sein muss, das lasse ich Sie selbst beurteilen, nach allem, was ich über Ihre Schande weiß und was ich hier vor mir sehe.«
»Ich hoffe, dass ich bald erschossen werde, Sir«, sagte der Gemeine Richard Doubledick, »und dann sind das Regiment und die Welt insgesamt mich los.«
Die Tischbeine wurden nun sehr krumm. Doubledick, der aufblickte, um sich zu beruhigen, schaute in die Augen, die einen so starken Einfluss auf ihn hatten. Er hielt sich die Hand vor Augen, und die Brust in seiner Strafjacke schwoll ihm so an, dass er meinte, es müsste sie zerreißen.
»Es wäre mir lieber«, sagte der junge Hauptmann, »etwas Gutes in Ihnen zu sehen, als dass ich hier auf diesem Tischfünftausend Guineas als Geschenk für meine liebe Mutter sähe. Haben Sie eine Mutter?«
»Ich bin dankbar, dass ich sagen kann, sie ist tot, Sir.«
»Wenn Ihr Lob«, erwiderte der Hauptmann, »im ganzen Regiment von Mund zu Mund erschallte, im ganzen Heer, im ganzen Land, dann würden Sie sich wünschen, sie hätte es erlebt und könnte voller Stolz und Freude sagen: ›Das ist mein Sohn.‹«
»Verschonen Sie mich, Sir«, sagte Doubledick. »Sie hätte niemals etwas Gutes über mich gehört. Sie hätte niemals Stolz und Freude dabei empfunden, sich als meine Mutter zu bekennen. Liebe und Mitgefühl, das hat sie vielleicht empfunden und würde es auch weiter empfinden, das weiß ich, aber nicht – verschonen Sie mich, Sir! Ich bin ein gebrochener, unglücklicher Mann und Ihnen ganz preisgegeben!« Und er drehte sein Gesicht zur Wand und erhob flehentlich die Hand.
»Mein Freund«, hub der Hauptmann an.
»Gott segne Sie, Sir!«, schluchzte der Gemeine Richard Doubledick.
»Sie befinden sich an einem Wendepunkt Ihres Schicksals. Wenn Sie Ihren Weg noch eine Weile unverändert weiterverfolgen, dann wissen Sie, was geschehen muss. Ich weiß sogar besser, als Sie sich vorstellen können, dass Sie danach verloren sind. Kein Mann, der solche Tränen vergießt, könnte diese Striemen ertragen.«
»Das glaube ich Ihnen vollkommen, Sir«, antwortete der Gemeine Richard Doubledick mit leiser, bebender Stimme.
»Aber ein Mann kann in jeder Position seine Pflicht tun«, fuhr der junge Hauptmann fort, »und dabei kann er Respekt vor sich selbst erwerben, auch wenn sein Fall so unglücklich und so sehr selten sein sollte, dass er sich niemand anderes Respekt erwirbt. Ein gemeiner Soldat, ein armerHund, wie Sie ihn genannt haben, hat in den stürmischen Zeiten, in denen wir leben, den Vorteil, dass er seine Pflicht stets vor einem Heer von mitfühlenden Beobachtern tut. Zweifeln Sie daran, dass er dies tun kann, um von einem ganzen Regiment, einem ganzen Heer, einem ganzen Land hochgelobt zu werden? Ändern Sie Ihren Weg, solange Sie noch Ihre Vergangenheit zurückerobern können, und versuchen Sie es.«
»Das werde ich! Ich bitte nur um einen einzigen Zeugen, Sir!«, rief Richard, dessen Herz beinahe zerbarst.
»Ich verstehe. Ich werde ein aufmerksamer und getreuer Zeuge sein.« Ich habe es aus dem Mund von Richard Doubledick selbst gehört, dass er dann auf ein Knie sank, diesem Offizier die Hand küsste und als ein neuer Mann aus dem Blick der dunklen, strahlenden Augen trat.
In jenem Jahr 1799 standen die Franzosen in Ägypten, in Italien, in Deutschland, wo nicht? Napoleon Bonaparte hatte ebenso begonnen, gegen uns in Indien Aufruhr anzuzetteln, und die meisten Männer konnten bereits die Vorzeichen der großen Übel lesen, die kommen sollten. Im darauf folgenden Jahr, als wir mit Österreich eine Allianz gegen ihn schlossen, diente Hauptmann Tauntons Regiment in Indien. Und es gab keinen besseren Unteroffizier in diesem Regiment – nein, nicht in der ganzen Linientruppe – als Korporal Richard Doubledick.
1801 stand die indische Armee an der ägyptischen Küste. Das nächste Jahr war das Jahr der Verkündigung des kurzen Friedens, und sie wurden zurückgerufen. Es war inzwischen Tausenden von Männern wohlbekannt, dass, wo immer Hauptmann Taunton mit den dunklen, strahlenden Augen sie hinführte, an seiner Seite stets, unverrückbar wie ein Fels, treu wie die Sonne und tapfer wie Mars, mit Sicherheit, solange sein Herz lebendig schlug, jener berühmteSoldat, der Sergeant Richard Doubledick, zu finden war.
1805 war nicht nur das große Jahr von Trafalgar, sondern auch ein Jahr harter Kämpfe in Indien. In diesem Jahr sah man solche Wundertaten, die von einem Ersten
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