Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)
Wächter schon nichts sagen.«
»Wir beide – allein?«, fragte Sif staunend. »Im Dunkeln? Das traue ich mich nicht. Und mein Vater würde fürchterlich schimpfen.«
»Aber es ist doch nichts dabei.«
»Und du würdest später dafür gezüchtigt werden.«
Caitlín zuckte mit den Achseln. »Ich bin schon einmal allein nachts ausgeritten. Die Wächter öffneten anstandslos das Tor, weil sie mich für Álfdis hielten.«
»Oh.« Sif kicherte. »Wie das?«
»Ich hatte ihr Pferd genommen, einen recht auffälligen Lichtfuchs, sodass die Wächter auf die Reiterin nicht so genau geschaut haben.«
»Ich bin nicht so mutig wie du«, beharrte Sif. »Außerdem sitze ich nicht sehr sicher im Sattel. Lass uns lieber hier auf Njal warten und uns derweil unterhalten. Mir kam zu Ohren, dass du eine Weile in einem Kloster verbracht hast. Wie war es dort?«
»Ich war dort nur zu Gast, und es war auch nur für eine sehr kurze Zeit. Besser, Ihr fragt Mutter Laurentia, wenn Ihr mehr über das Klosterleben erfahren wollt.«
»Die Benediktinerin, die im Schweinestall haust?« Erschrocken zuckte Sif zurück. »Aber ist sie nicht verrückt?«
»Aber nein. Sie ist nur ein bisschen … seltsam.«
»Du bist Irin wie sie, daher fällt es dir vielleicht nicht auf.«
Caitlín lachte. »Das bedeutet wohl, dass ich auch verrückt bin?«
»Auf den Gedanken könnte man leicht kommen, wenn du mir vorschlägst, mitten in der Nacht auszureiten«, erwiderte Sif heiter. »Wer weiß, vielleicht sind die Iren ja … Da fällt mir etwas ein … Ich war mir nicht sicher, ob ich es dir oder dem Skalden sagen soll, aber …«
Sie verfiel in Schweigen, wobei ihre knetenden Hände umso beredter waren.
»Eigentlich sollte ich das nicht sagen«, murmelte sie schließlich, »aber mein Gewissen zwingt mich dazu.«
»Was ist es?«, fragte Caitlín vorsichtig.
»Auf dem Weg von Suttung hierher liegt ein Gasthaus – das Farbauti . Kennst du es?«
»Nur zu gut.«
»Wir haben dort nicht gerastet, aber unsere Pferde getränkt. Dabei hörten wir, dass eine Gruppe Männer dort eingekehrt sei. Iren, so Olafur, der Wirt. Sie hätten an einem unwegsamen Küstenabschnitt angelegt, weil sie sich mit ihrem Schiff verirrt hätten. Aber beim Anlegen sei das Schiff leckgeschlagen, und nun wollten sie nach Yddal, um einen Schiffsbauer aufzusuchen.«
»Einen … Schiffsbauer?«
»Ja.«
Das war ein Wink Gottes. Anders war diese Fügung nicht zu erklären. Caitlíns Herz begann vor Aufregung wild zu schlagen. Irische Landsleute – ganz in der Nähe!
»Aber weshalb kamen sie überhaupt hierher?«, fragte sie betont ruhig.
»Das weiß ich nicht. Als mein Vater bei dieser Geschichte lachte, fragte Dyrí, was an den Iren so komisch sei, und Vater erwiderte, Olafur habe gesagt, dass einer der Iren erzählt hätte, ein Gelübde hätte ihn zu der Reise ins Nordland gezwungen. ›Bestimmt wieder so ein Priester, der einem den Christenglauben aufschwatzen will‹, hat Dyrí gesagt, und Vater meinte daraufhin, dass wir schnell weiterreiten sollten, nicht dass nach seiner Tochter auch noch sein Sohn auf den neuen Gott hereinfalle. Sie haben sich die Bäuche gehalten vor Lachen.« Sif schaute missmutig drein. »Ich fand das gar nicht lustig.«
Caitlín war fassungslos. Ihre Landsleute würden ihr helfen, sobald sie erfuhren, dass eine Irin hier gefangen gehalten wurde. Vielleicht hatten sie sogar von ihrem Vater Colin von Lionee gehört … Nein, das war äußerst unwahrscheinlich. Sie würde sie damit locken, dass ihnen ihr Vater viel Geld zahlen würde, wenn sie dafür sorgten, dass seine Tochter wohlbehalten zurückkehrte.
Und wenn sie zudem noch einen gewissen Sklaven mitnahmen …
Diese Tat würde ihr Vater sicherlich nicht entlohnen, doch das musste sie diesen Leuten ja nicht auf die Nase binden.
»Ich muss ins Farbauti! «, rief sie erregt. »Ich muss! Jetzt gleich!«
»Oje, was habe ich da bloß gesagt? Es ist doch längst dunkel, und …«
»Aber ich muss!« Mit beiden Händen umfasste Caitlín Sifs Unterarm und sah sie flehend an. »Könnt Ihr nicht irgendetwas tun? Vielleicht die Wachen ablenken?«
»Selbst wenn die Torwächter abgelenkt sind, ist das Tor noch immer verschlossen. So wird deine Flucht nicht gelingen.«
Irrte sich Caitlín, oder hörte sie eine gewisse Unternehmungslust aus Sifs Worten heraus? »Dann müssen wir doch gemeinsam hinausreiten.«
Sif schlug die Hand vor den Mund. »Ich – ich soll dich bei dem Abenteuer begleiten? Aber Gott im
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