Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)
Bündel aus grobem Wollstoff. Zu Caitlíns Verblüffung war es ein Mönchsgewand, das er hochhob.
»Man sagte mir, man wolle meine Kleider waschen und ausbessern, und dieses verlauste Ding hat sich wohl in irgendeiner Ecke gefunden.« Er zupfte Stroh herunter und mühte sich, die vielfach geflickte Kutte überzustreifen. Caitlín wollte ihm helfen. Doch bevor sie einen zögerlichen kleinen Schritt getan hatte, zog er die Kutte an sich hinab. Der Mönch, dem sie gehört hatte, musste ein breitschultriger, dickbäuchiger Mann mit sehr langen Armen gewesen sein, jedoch auch ein eher kleiner, denn das Gewand reichte dem Wikinger gerade bis zu den Waden.
Die Kapuze ordnend, schritt er zu dem Baumstumpf, nahm sein Kreuz und hockte sich auf das Holz. Die Lederschnur schob er über den Kopf und verstaute das Goldkreuz unter dem Habit.
»So, und was fehlt noch, um einen glaubhaften Mönch aus mir zu machen?«, fragte er spöttisch.
»Den wird man Euch so oder so nicht abkaufen«, entfuhr es Caitlín.
Sie sah sich aus tiefblauen Augen gemustert. »Und was tut Ihr hier?«, fragte er, und sie begriff, dass er nicht von ihrer Gegenwart in diesem Stall sprach.
»Ich bin auf dem Weg zu Éamonn, dem Herr von Carndonagh, um seine Frau zu werden.«
»Was Ihr nicht wollt.«
»Sagte ich das?«
»Nein, aber Ihr hört Euch so kläglich an, als würde man Euch auf immer und ewig in ein Christenkloster sperren wollen. Warum lasst Ihr Euch wie ein Schaf zur Schlachtbank führen?«
Caitlín schnappte nach Luft, sprachlos von solch unerwarteter Deutlichkeit. »Ich habe keine andere Wahl!«, stieß sie endlich hervor.
Er neigte den Kopf, schien über ihre Worte nachzudenken, während er an seinen feuchten Haaren zupfte. »Aber eine Frau kann sich zumindest wehren.«
»Ich bin keine Wikingerfrau.«
»Nun, es geht mich ja auch nichts an. Ihr könntet mir das Haar binden; ich fürchte, ich schaffe es mit meiner Hand nicht.«
Caitlín hob das Silberband auf und kniete an seiner Seite. Sollte sie nicht vor ihm zurückzucken? Stattdessen genoss sie es, mit den Fingern seine Haare zu kämmen. Sie fasste die Strähnen in seinem Nacken zu einem Strang zusammen, legte das Band darum und hakte es ein. Sie fühlte sich mit ihm seltsam vertraut und bedauerte, ihn wieder loslassen zu müssen.
Es gab nichts zu sagen. Wäre nicht das Gefühl, jemand drücke ihr die Kehle zu, würde sie nicht aussprechen, dass ihr nichts an Éamonn lag.
»Ich bin ihm seit meiner Kindheit versprochen«, platzte sie heraus. »Dabei kenne ich ihn gar nicht! Alles, was ich über ihn weiß, habe ich den Ermahnungen meiner Mutter entnommen, folgsam zu sein, weil er sehr streng wäre. Ein einziges Mal sah ich ihn bisher, als wir verlobt wurden. Es muss bald fünf Jahre her sein, ich war dreizehn. Da war er längst ein erwachsener Mann, und ich konnte mir nicht vorstellen, irgendwann mit ihm leben zu müssen. Von einem auf den anderen Tag sagte man ständig zu mir, wenn ich mich falsch benahm, dass der Herr von Carndonagh solch ein Verhalten nicht dulden würde. Von da an galt ich als bockig.«
»Das glaube ich gern«, murmelte er.
»Aber irgendwann gewöhnte ich mich an den Gedanken, seine Frau zu werden. Nein, eigentlich habe ich ihn nur verdrängt.«
Hastig kehrte sie ihm den Rücken zu, denn ihre Tränen waren kaum zurückzuhalten. Das Beben ihrer Schultern konnte sie jedoch nicht verbergen, sodass sie schließlich ihrem Gefühl nachgab und haltlos schluchzte.
Behutsam legte er den Arm um sie und berührte ihr Haar. In seinem Schweigen lag Trost. Caitlín beruhigte sich. Mit dem Ärmel wischte sie sich übers Gesicht. Als ihr Blick auf seine rechte Hand fiel, die auf seinem Schoß lag, ergriff sie sie ohne nachzudenken mit beiden Händen und rieb mit den Daumen über die Innenseite, wie um ihr Leben einzuhauchen. Derweil ließ er nicht ab, durch ihre Haare zu fahren und ihr Strähnen hinter das Ohr zu streichen.
Entschlossen zog sie die Nase hoch. »Was wollt Ihr nun tun?«
»Von hier verschwinden, was sonst?«
»Aber wie?«
Er zögerte. Vertraute er ihr nicht, oder hatte er noch keinen Plan? »Irgendwo an der Küste werde ich schon eine Handelsknorr finden. Auf dem Frachtschiff kann ich mich dann als Ruderer verdingen.«
»Als Ruderer? Mit dieser Hand?«
»Die wird hoffentlich bald wieder ihren Dienst tun.«
»Norwegen«, murmelte sie. »Ich habe schon einiges über das Nordland gehört. Über Meereinschnitte, die von riesigen Felswänden umgeben sind.
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