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Der Schweizversteher

Der Schweizversteher

Titel: Der Schweizversteher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diccon Bewes
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Landleben ist Gruyères
entsetzlich kommerzialisiert und vor allem für die Touristen da, die aus aller
Welt herbeiströmen. Einen weiteren Beweis hierfür liefert die Schaukäserei von
Gruyères am Fuß der Anhöhe. Im Gegensatz zu der von Emmental kostet es hier
Eintritt. Und man kann sowohl mit Euro als auch mit Schweizer Franken zahlen.

Unten in der Käserei
    Die Audiotour wird von Cherry bestritten, einer
durchaus liebenswerten Führerin, die uns an ihrem Leben teilhaben lässt. Es
besteht hauptsächlich darin, Unmengen von Gras zu fressen, zweimal täglich das
Euter massiert und geleert zu kriegen, im Frühling zu höher gelegenen Weiden
hinauf- und im Herbst wieder herabzusteigen. Nicht gerade ein ständiger
Nervenkitzel, aber es klingt nach einem angenehmen Dasein. Unsere sprechende
Kuh teilt uns allerhand Wissenswertes mit, etwa dass zwei Drittel des gesamten
Gruyère in der Schweiz gegessen werden oder dass Wissenschaftler 75
verschiedene Duftnoten in dem Käse ausgemacht haben. Es folgt die altbekannte Geschichte
der täglichen Käseherstellung: Die Morgen- und die Abendmilch werden
zusammengegossen, in riesigen Bottichen erhitzt (der in der Ausstellung fasst 4800
Liter), dann folgen Salzbäder, Pressen und Lagern. Wie der Emmentaler ist der
Gruyère AOC -geschützt, weil er nur in diesem Teil
der Schweiz hergestellt wird. Und wie beim Emmentaler braucht man zwölf Liter
Milch, um ein Kilo Käse zu machen. Ja, anscheinend unterscheiden sich der
Gruyère und der Emmentaler kaum, abgesehen davon, dass ersterer blind ist, weil
er keine Augen hat. Und dass ein Gruyère-Käserad im Durchschnitt nur 60
Zentimeter misst und lachhafte 35 Kilogramm wiegt.
    Unten starrt man dann durch ein Fenster auf 7000
Käselaibe, die alle langsam reifen. Sie liegen in Regalen, die vom Boden bis an
die Decke reichen. Man fühlt sich wie in einem Science-Fiction-Film, wo die
Helden in ein Lagerhaus kommen, das Licht anknipsen und sich endlosen Reihen
von Klonen gegenübersehen. Ein bisschen unheimlich, obwohl es sich nur um Käse
handelt. Da rollt ein robotergesteuerter Wagen zu einem Regal, fährt Greifarme
aus und dreht jeden einzelnen Käse um, der in diesem Regal liegt; spätestens
jetzt fühle ich mich in eine andere Welt versetzt.
    Vom Standard-Gruyère gibt es drei Sorten: mild,
mittelalt und würzig. Keiner davon ist wirklich nach meinem Geschmack, aber im
Shop probiere ich einen Reserve, ein Titel, wie er einem guten Wein gebührt,
das AOC -Siegel hat wohl nicht gereicht. Mindestens
ein Jahr gereift ist der Reserve-Gruyère nicht gummiartig, sondern irgendwie
körniger und bröckeliger und schmeckt viel intensiver. Einfach köstlich. Bis
dahin war mir der Reiz von Schweizer Käse verborgen geblieben, aber der Reserve
war eine Offenbarung. Und es sollten noch mehrere folgen.

Der echte Schweizer Käse
    In der Schweiz gibt es zwei Supermarktketten, die
zusammen fast 90
Prozent aller Schweizer Lebensmittel vermarkten. Zwar haben inzwischen auch
deutsche Discounter hier Filialen eröffnet und knabbern an den Marktanteilen,
aber die meisten Schweizer bleiben dem treu, was sie kennen und wem sie
vertrauen (insbesondere wenn die Konkurrenz aus Deutschland stammt). Und das
sind Coop und Migros. Coop ist die schickere Supermarktkette und unterscheidet
sich von seinem billigeren, bodenständigeren Konkurrenten vor allem durch zwei
Dinge. Erstens kann man im Coop auch Alkohol und Tabakwaren kaufen.
    Ein britischer Supermarkt könnte ohne seine zehn
Regalreihen mit Wein, Whisky und Bier und den obligatorischen Kippen an der
Kasse kaum überleben, aber Migros gelingt es. Und zweitens hat Migros viele
Hausmarken anstelle der international erhältlichen Produktpalette und bietet
lokale Erzeugnisse an (die Aufkleber auf den Milchflaschen verraten einem sogar
den Namen der Molkerei). Im Coop dagegen sind die Regale randvoll mit bekannten
Marken wie Coca-Cola, Del Monte, Pringles, Persil, Mars et cetera.
    Aber mal abgesehen von den Markenprodukten: Eines
Tages war ich im Coop, weil ich für eine Abendeinladung noch etwas Käse
besorgen wollte, denn in der Schweiz wird zwischen Hauptgang und Dessert oft
eine Käseplatte gereicht. Nachdem ich im Zickzack die verschiedenen Gänge
abgegrast und mich dabei kurz über die vielen verschiedenen Müeslisorten
gewundert hatte (28!),
entdeckte ich die Käsetheke. Und da lagen sie, all

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