Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schweizversteher

Der Schweizversteher

Titel: Der Schweizversteher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diccon Bewes
Vom Netzwerk:
Industriespionage und all so
was, Sie wissen schon. Folglich gab ich mich mit dem Besuch des Omega-Museums
in Biel zufrieden, den ich ordnungsgemäß telefonisch vorab vereinbarte.
    Bis dahin hatte ich geglaubt, La Chaux-de-Fonds sei
hässlich, doch ich änderte meine Meinung, als ich im Dreckloch der Schweiz
ankam, wie Markus mir Biel drastisch beschrieben hatte. Oder genauer
Biel/Bienne, die größte offiziell zweisprachige Stadt der Schweiz. Hier ist
alles in Französisch und in Deutsch beschriftet, was Straßenschilder, Fahrpläne
und Werbeanzeigen beachtlich aufbläht. Um gegenüber der zweiten Stadt des
Kantons Bern nicht ungerecht zu sein – nur die Nachkriegsbauten sind
niederschmetternd hässlich. Biel/Bienne hat zwei Schmuckstücke, von denen jedes
andere Dreckloch nur träumen kann: einen eigenen See (Bieler See/Lac de Bienne)
und, versteckt inmitten all der architektonischen Mittelmäßigkeit, eine echte
Perle von Altstadt. Hier schlägt im Verborgenen das Herz der Stadt, zwischen
den ockerfarbenen Gebäuden, geschwungenen Brunnen und mit Kletterpflanzen
bewachsenen Bistros fühlt man sich wie in einen Roman versetzt.
    Doch Omega und die anderen Uhrenfabriken haben sich
hier nicht wegen des Seeblicks angesiedelt. Ihnen ging es um
Transportmöglichkeiten, vor allem mit der Bahn, und da war Biel (ich bleibe der
Einfachheit halber mal bei einem Namen) so viel leichter erreichbar als La
Chaux-de-Fonds oben in den Bergen. Omega hat seine Manufaktur 1880 in
einer alten Spinnerei eröffnet, und dort ist sie heute noch, mit dem Trolleybus
fünf Minuten von der Stadtmitte entfernt.
    Das Museum mag sich ja auf einen Hersteller
konzentrieren, aber im Grunde bietet es einen historischen Überblick über die
gesamte Uhrenindustrie, angefangen bei den komplizierten Pendeluhren bis hin zu
den Hightech-Zeitmessern, mit denen man 1000 Meter tief tauchen
kann. Wozu das gut sein soll, bleibt unklar; ich bin schon froh, wenn meine ein
versehentliches Duschen oder Schwimmen übersteht. Jedenfalls erfährt man, wie
die 1848
von Louis Brandt gegründete Firma sich schließlich 1894 einen Markennamen mit
größerem internationalem Flair gab, was zu der ersten bekannten Fälschung
führte (Onega im Jahr 1908).
Und wie kleinere Anpassungen vorgenommen wurden, etwa dass die Aufziehschraube
an einer Armbanduhr von links nach rechts verlegt wurde oder dass in den 1940er-Jahren
ein Sekundenzeiger dazukam.
    Echten Glamour verströmen aber erst die Omega-Uhren
jüngerer Zeit. Wo sonst kann man die Uhr sehen, die Präsident Kennedy bei
seiner Amtseinführung trug? Oder den Zeitmesser, der mit zum Mond fliegen
durfte? Übrigens trugen die Astronauten die Uhren über ihren Raumanzügen, und
zwar mit einem riesigen Klettband angeheftet – hier unterstützte ein Schweizer
Produkt ein anderes. Den vielleicht tiefsten Einblick verschaffte mir mein
Führer mit der Erklärung, warum alle Uhren im Museum und in den meisten
Geschäften auf zehn nach 10.00
gestellt sind. Damit ist ausgeschlossen, dass die Zeiger irgendetwas verdecken,
etwa das Datumsfenster, die winzigen Zifferblätter oder – am wichtigsten – den
Firmennamen. Es geht tatsächlich immer um den Namen.
    Uhren und Taschenmesser sind neben Käse und Schokolade
die vielleicht bekanntesten Schweizer Produkte. Zu ihrem Erfolg trägt das Label
»Swiss Made« entscheidend bei, denn es verheißt Qualität und Zuverlässigkeit.
Weshalb auch die Schweizer selbst trotz des normalerweise höheren Preises
einheimischen Waren den Vorzug geben. Schweizer kaufen gern Schweizerisches;
wahrscheinlich kann ein so kleines rohstoffarmes Land nur deshalb eine
verarbeitende Industrie aufrechterhalten. Manche Schweizer Firmen florieren
auch auf dem Weltmarkt, etwa Logitech mit Computermäusen oder Sigg mit
Wasserflaschen, viele Marken sind aber nur im Inland ein Begriff. Während Sie
vermutlich noch nie von Freitag, Kuhn Rikon oder Riposa gehört haben, kennt sie
fast jeder Schweizer als Hersteller von Umhängetaschen, Kochgeschirr und
Matratzen.
    2009 belegte eine Studie, dass
unter den zwanzig beliebtesten Marken in der Schweiz 13 Schweizer Marken waren,
wobei ich annehme, dass Ihnen Ragusa und Zweifel nicht viel sagen werden (es
handelt sich um Lebensmittelmarken). Bemerkenswert ist, dass außer Swatch und
Toblerone nichts von dem dabei war, womit man im Ausland vielleicht

Weitere Kostenlose Bücher