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Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Titel: Der Schwimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zsuzsa Bánk
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heimkehrte, Zsófi ihm Schuhe und Strümpfe auszog, ihn zu seinem Bett brachte, ein nasses Tuch in seinen Nacken legte und sein Gesicht abwischte. Mein Vater starrte an die Zimmerdecke, und Isti und ich starrten auf ihn. Zsófi tauchte den Waschlappen in eine Schüssel, und vor unseren Augen färbte sich das Wasser darin dunkel. Mein Vater sagte nichts, und Zsófi fragte nicht. Isti zog das Kästchen mit den Bildern unter der Liege hervor und stellte es neben den Kopf meines Vaters auf das Kissen. Er nahm ein Foto von meiner Mutter heraus und legte es auf die Brust meines Vaters. Unter der Nase meines Vaters trockneten zwei kleine rote Tropfen. Und dort, auf seiner Brust, lag meine Mutter, in Schwarzweiß, in einem Kleid aus lauter Karos.

    In der Nacht vor unserer Abreise träumte ich von Fliegen, die einen ganzen See bedeckten. Wie ein Teppich lagen sie auf dem Wasser, mit der Bewegung der Wellen mal dichter, mal weniger dicht aneinander. Als ich aufwachte, standen Arbeiter aus der Schokoladenfabrik in der Küche und verabschiedeten meinen Vater, dessen Nase inzwischen blau geworden war. Sie legten Päckchen mit Pralinés und Trinkschokolade auf die Kredenz, tranken Schnaps, bedankten sich bei meinem Vater für die gute Arbeit und bedauerten, daß er die Fabrik verließ. Einer überreichte Isti und mir ein großes Stück Schokolade, das aussah wie eine gebundene Schleife.

    Pista arbeitete im Hof. Sonst schlief er um diese Uhrzeit noch oder saß in der Küche und trank seinen Kaffee, den Zsófi für ihn auf den Küchentisch gestellt hatte. Als mein Vater seinen Namen rief, kroch Pista unter einem Traktor hervor und wischte sich die Hände an einem Tuch ab. Ein letztes Mal schaute ich auf seine runden, schwarzen Fingernägel. Pista sagte nichts. Er hob und senkte die Schultern beim Atmen, streichelte Istis Kopf und schluckte. Meinen Vater schaute er lange an, bevor er sich überwand, ihn zu umarmen. Sie hielten sich so eine Weile, und Isti und ich, wir standen schweigend neben ihnen.

    Zsófi hatte Briefe an die Verwandten am See geschrieben und dafür gesorgt, daß wir bei ihnen wohnen konnten. Sie und Jenő begleiteten uns zur Zugstation. Pista fuhr unsere Koffer mit einem Traktor zum Bus. Er sagte, abstellen würde er sie dort, warten wolle er nicht auf uns, nein, Zeit habe er keine, er müsse weiter, die Traktoren. Wir liefen nebeneinander, Zsófi schneuzte sich, und Jenő erzählte Witze, um uns zum Lachen zu bringen: Ein Russe, ein Amerikaner und ein Deutscher treffen sich vor der Himmelstür. Wir gingen an Karcsis Haus vorbei. Die Läden waren geschlossen. Im Wind schlug eine Tür gegen ihren Rahmen. Zsófi schaute zu meinem Vater, der seinen Blick fest auf die Straße heftete.

    Wir waren die einzigen Fahrgäste im Bus, saßen auf der Rückbank und starrten auf Zsófis schmutziges Taschentuch, das sie zwischen ihren Fingern knetete. Am Kirchplatz klopften ein paar Männer aus dem Wirtshaus an die Scheibe, salutierten und lachten. Einer mahnte mit seinem Zeigefinger, und Jenő brüllte, er solle verschwinden. Die Frau des Bäckers trat aus ihrem Laden, kam ein paar Schritte auf uns zu und reichte meinem Vater etwas, das sie in Papier eingewickelt hatte. Es dauert, bis Sie ankommen, sagte sie. Als wir an der Zugstation ausstiegen, wünschte uns der Fahrer eine gute Reise. Im Wartesaal bewegte sich der große Zeiger der Uhr so laut, daß ich die Minuten fast spüren konnte. Bevor wir in den Zug stiegen, drückte mein Vater Jenő einen Pakken Geldscheine in die Hand, um die er einen Gummi gebunden hatte. Jenő steckte den Packen ohne ein Wort ein.

    Isti und ich legten unsere Hände auf das herabgelassene Fenster und streckten unsere Köpfe weit hinaus. Als der Zug sich in Bewegung setzte, lief Jenő ein paar Schritte neben uns her, und Isti griff noch einmal nach seinem Arm. Jenő rief etwas wie, wenn sie dort einen Pianisten brauchen. Zsófi wurde hinter ihm kleiner. Am Ende des Bahnsteigs, dort, wo die Felder begannen und das wenige Gras hell war, stand Éva. Sie hob ihre Hand ein wenig und machte eine Bewegung, als wolle sie den Zug zum Halten bringen. Als wolle sie dem Zugführer bedeuten: Halte an. Langsam fuhren wir an ihr vorbei, sie drehte ihren Kopf nach uns, zog ihre weiße Jacke aus und winkte uns damit. Kurz bevor wir sie aus den Augen verloren, war sie nicht mehr als etwas Weißes auf etwas Grünem. Es sah aus, als habe sie sich ins Gras gelegt.

Zoltán.
    Der Zug fuhr nach Süden über Debrecen,

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