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Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Titel: Der Schwimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zsuzsa Bánk
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gelehnt, die Arme unter ihren Brüsten verschränkt, und dabei zugesehen, wie das Schiff anlegte, die Passagiere ausstiegen und über die Mole liefen, ihr entgegen. Seit gestern war sie viele Male hier gewesen, weil niemand wußte, welches Schiff uns bringen würde. Immer, wenn eines anlegte, war sie mit ihrer Csepel den Hang hinabgefahren, war hierhergerollt, ohne den Motor einzuschalten. Zwei Kinder und einen Mann sollte sie abholen, das hatte man ihr aufgetragen, zwei Kinder und einen Mann, die sich unten am Wasser verloren umsehen würden. Der Mann, so um die dreißig, mit dunklen Haaren, die ihm fast auf die Schultern fallen, so hatte es Zsófi geschrieben, und die Kinder, naja, ein Mädchen und ein Junge, wie Kinder eben aussehen. Gleich habe sie uns erkannt, sagte Virág, als sie uns umarmte, wir sähen nicht aus wie Menschen, die am Wasser lebten. Isti erwiderte, auch wir haben am Wasser gelebt, schließlich sei auch ein Fluß Wasser, oder nicht? Ja, sagte Virág, aber es klang wie ein Nein.

    Virág sah aus wie jemand aus einer dieser Zeitschriften, die Erzsi gelesen hatte. Vor einem Skoda hätte sie stehen, lächeln und auf ihn zeigen können. Sie hatte hellblondes Haar, das unter ihrem weißen Kopftuch hervorschaute, und blaue Augen, die grün wurden, sobald sie sich dem See näherte. Ihr Kopftuch hatte sie nicht unter dem Kinn zusammengebunden, wie es alle taten, sondern im Nacken, und die Bluse über dem Bauch hatte sie so geknotet, daß wir einen Streifen ihrer Haut sehen konnten. An ihren braunen Füßen trug sie Badeschuhe aus rotem Gummi, mit denen sie durchs Wasser waten, durch den Schlamm laufen und die sie mit dem Gartenschlauch abbrausen konnte. Ich glaube nicht, daß ich zuvor jemanden gesehen hatte, der so gehen konnte wie Virág, und ich fragte mich, warum es bei ihr wie ein Tanzen aussah.

    Virág zog einen Anhänger hinter ihrer Csepel und brachte damit unsere Koffer den Hang hinauf. Sie hupte und winkte, wir sahen ihr und der Staubwolke hinterher und hörten das Knattern verschwinden. Wir folgten ihr über einen Pfad, vorbei an Weinstöcken, Zäunen, Gemüsegärten. An jeder Biegung blieben wir stehen, drehten uns um, schauten auf Isti, der uns langsam folgte, und auf den See, der dort lag wie ein Spiegel, eingeklemmt zwischen Schilf und Wiesen. Virág wartete auf uns neben einem Tor am Wegrand, von wo ein Kieselpfad zum Haus führte. Das Haus war gelb. Es war klein. Es hatte winzige Fenster mit weißen Rahmen und Läden, außen eine Treppe, auf deren Stufen man sich setzen konnte, und unter dicht wachsendem Wein eine kleine Veranda, auf der die anderen jetzt auf uns warteten.

    Zoltán, Virágs Vater, nahm uns kaum wahr. Er streckte uns seine Wangen zum Kuß entgegen, als führe er bloß einen Befehl aus, klammerte sich an die Armlehnen seines Stuhls, und Isti und ich, wir starrten auf die Adern auf seinen Händen, die aussahen wie dicke grüne Würmer. Zoltán roch nach Wein, seine Wangen kratzten, Hosenträger rahmten seinen Bauch ein, seine wenigen Haare waren verklebt. Als mein Vater vor ihn trat, stand er nicht auf, er schaute nicht einmal hoch. Er sah auf das Wachstuch, auf die Blumen des Wachstuchs, das den Tisch bedeckte. Hin und wieder legte er seine Hand darauf und sagte: Blumen. Zoltáns Stirn war an der linken Seite eingefallen. So, als habe sie jemand einschlagen, als habe sie jemand zertrümmern wollen. Zoltán lächelte und sagte, wenn Bier zu Hause ist, trinken wir natürlich Bier. Wenn Wein da ist, Wein. Aber lieber Bier. Ihm sei alles recht, erwiderte mein Vater.

    Virág zuckte mit den Schultern, und Zoltáns Frau Ági streifte mit ihren Händen immer wieder über dieselbe Stelle ihrer Schürze. Auf und ab, als wolle sie ihren Ring, ihren einzigen Ring polieren. Sie löste das Fliegengitter vor der Verandatür und schob mich in die Küche, in der es kühl und still war. Auf der Kredenz tickte eine Uhr. In drei Minuten würde ein Zug von Szerencs in Richtung Budapest fahren. Eine Fliege hatte sich mit uns ins Haus gestohlen und kreiste über unseren Köpfen. Du mußt keine Angst haben vor Onkel Zoltán, sagte Ági, er ist nur ein bißchen müde. Weißt du: müde. Weißt du, was das ist? Müde? Dabei schaute sie zu Boden, als schäme sie sich, und ihr Blick blieb auf ihren schmalen Fesseln, deren Sehnen so gespannt waren, als könnten sie jeden Augenblick reißen. Ja, ich wußte, was das war: müde, und wie es war, müde zu sein, selbst ich war schon müde gewesen,

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