Der Schwimmer: Roman (German Edition)
das, es sind nicht die Fenster, und dann saßen sie in der Sommerküche, Ági schälte Kartoffeln und redete, putzte Bohnen und redete, setzte Wasser auf und redete, und Mihály hörte auf jedes ihrer Worte. Isti und ich, wir kauerten hinter der Tür, unter dem Fenster, das Mihály hatte vermessen wollen, und hörten auf Ági, die von Strafe redete, von einer Strafe, die längst schon ausreiche. Ich begriff erst später, von was Ági gesprochen hatte, Jahre später, als ich schon selbst eine Ahnung davon hatte, wie diese Dinge geschehen und was aus uns wird, wenn sie geschehen. Ági wußte, warum Mihály sich benahm, wie er sich benahm, und sie hatte keine Scheu, es ihm zu sagen. Bevor Mihály ging, fragte er, wann soll ich wiederkommen wegen der Fenster?, und Ági erwiderte: bald.
Und dann kippte etwas, etwas drehte sich, für Irén, für Virág, für Mihály, und daß es so war, lag an Ági. Sie hatte die Zeit zum Springen gebracht, in diesem Sommer, in dem sich erst nichts mehr bewegt hatte und jetzt wieder alles drehte, der See, die Reben, die Stege, alles, was vor unseren Augen begann und irgendwo dort endete, wo unser Blick nicht mehr hinreichte. Isti und ich saßen auf den Treppen vor dem Haus, wo die Weinranken jetzt schnell und dicht wuchsen, hörten auf Geräusche von der Straße, und sobald dort jemand lief, sobald dort jemand ein Fahrrad schob, faßte Isti meinen Arm, und wir rannten vor zum Tor. Virág schaute uns nach, von einem Fenster aus, Ági trat auf die Terrasse, mit einem Tuch in der Hand, selbst mein Vater verließ die Sommerküche, lief über den Kieselweg und zog Zoltán hinter sich her, aber nie war es Mihály, der am Haus vorbeilief, der sein Fahrrad über die Straße schob, es war nur irgendwer. Und dann standen wir am Gartentor, Isti und ich, die Hände aufs Holz gelegt, ließen den Fremden nicht aus den Augen, der sich noch einmal umdrehte und die Arme hob, als wollte er fragen, was seht ihr mich so an?
Niemand schickte uns, aber nachdem Mihály mit Ági in der Sommerküche gesessen hatte und dann nicht mehr gekommen war, obwohl Ági ihm gesagt hatte: bald, gingen Isti und ich ins Dorf, um uns hinter Bäumen und Büschen zu verstecken, mit Blick auf die Bäckerei, manchmal ganze Nachmittage lang, bloß um zu sehen, ob Mihály noch hierher kam. Irén verließ den Laden abends allein, hielt den Schlüssel in einer Hand, schaute durchs Fenster, ob alle Lichter gelöscht waren, und lief dann die Straße hinab, über der rechten Schulter die Tasche, über dem linken Arm ihre helle Jacke, die sie anzog, wenn es am Abend kühler wurde. Nach wenigen Schritten blieb sie stehen und schaute zurück, als habe sie etwas gehört, und Isti und ich, wir versteckten uns im Gras und legten unsere Köpfe auf den Boden, als könne Irén uns so nicht sehen. Auf dem Heimweg klopften wir den Dreck von unseren Kleidern, und Isti sagte, Mihály hat längst die Fähre genommen, ich weiß es.
In einer dieser Nächte wachte Isti auf, vielleicht durch einen Windstoß, der etwas über die Dielen rollen ließ, eine Flasche vielleicht, die wir umgestoßen hatten, zog den Stuhl vor die Dachluke, kletterte hinauf und sah hinaus in den Garten, und morgens am Küchentisch, auf den Ági den Tee für uns stellte, erzählte Isti, er habe Irén gesehen. In der Dunkelheit habe sie am Tor gestanden, mit ihrer Tasche über der Schulter und ihrer hellen Jacke, aufs Haus habe sie geschaut und seine Linien mit der Hand nachgezeichnet, erst das Dach, dann die Mauern, als letztes die Fenster und Türen, so, sagte Isti, hob seine rechte Hand und malte ein Haus mit Dach und Fenstern und Türen in die Luft. Ági rief nach draußen, zur Sommerküche hin, Kálmán, dein Kind ist mondsüchtig, und zu Isti sagte sie, wir werden die Dachluke schließen, sonst kletterst du noch hinaus.
Vielleicht war es falsch, so zu tun, als dürfe man Isti nicht ernst nehmen, als verlaufe er sich immer nur in seinem Kopf zwischen seinen Gedanken. Heute, Jahre später, ist das längst schon gleichgültig, sogar vergessen, aber damals hätte es etwas abwenden, etwas fernhalten können, von uns. An einem dieser hellen Abende, wie es sie nur im Juli gibt, ließen wir Zoltán allein, weil Virág das Warten beenden wollte, dieses Sitzen, Schauen, Hören und Hochspringen, sobald jemand hinter dem Haus über die Straße lief. Sie wollte es wegfegen, auch Istis Kippen mit dem Stuhl, das ihr nur noch lästig war, dieses Vor und Zurück, den Schlag auf die
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