Der Schwur der Ritter
Arnold de Thierry gewesen, doch jetzt stellte sich heraus, dass er nicht das Zeug zum Befehlshaber hatte. Will konnte ihm zwar nichts Konkretes vorwerfen, doch er hatte das Gefühl, dass der Mann seine Qualitäten besser würde beweisen können, wenn man ihn von der Verantwortung befreite, mit der er sich seit den Ereignissen des dreizehnten Oktober so plötzlich konfrontiert sah.
Schritte rissen ihn aus seinen Gedanken, und Tam kehrte mit einem schweren Schlüsselring zurück, den er Will hinhielt. »Ich dachte mir, ich lasse sie besser nicht aus den Augen … wenn ich hier vorhin richtig gesehen habe.« Mit diesen Worten steckte er den großen Metallring hinter seinem Gürtel fest.
»Und was glaubt Ihr gesehen zu haben?«
»Nun, zum einen, dass Ihr vor Wut außer Euch gewesen seid. Ihr hattet diese Miene aufgesetzt, die bedeutet, ›Wage es nicht, mich anzusehen, sonst schneide ich dir das Herz heraus‹. Und dann war da dieser Martelet mit seinem langen Bart. Das allein signalisierte ja schon, dass ihm Eure Anordnungen gleichgültig sind, auch wenn er nicht den Mut hatte, den Bart offen zu tragen, sodass Ihr ihn hättet sehen können. Der Kerl gehört zurechtgestutzt, und zwar nicht nur am Kinn.«
Will setzte zu einer Antwort an, wartete aber, als er sah, dass Tam noch nicht fertig war.
»Seine Helfershelfer haben mir auch nicht gefallen. Kriecher und Speichellecker, einer wie der andere … Also habe ich mir gedacht, ich behalte die Schlüssel lieber im Auge für den Fall, dass es noch mehr davon gibt und sie in Versuchung geraten, ihn freizulassen. Nun denn – bleibt es bei der Versammlung am Fest der Epiphanie? Der Großmeister war ja sehr bestimmt in seinem Wunsch, dass seine Anweisungen an diesem Tag geöffnet werden.«
Die Verfügungen des Großmeisters bereiteten Will eine schlaflose Nacht nach der anderen. In der Zeit seit ihrer Landung war es Will weitgehend gelungen, die Männer wieder zu einer Gemeinschaft zusammenzufügen und Ordnung aus dem Chaos zu schmieden, in das sie alle gestürzt worden waren. Jetzt fürchtete er, dass die Worte des Großmeisters die Früchte seiner harten Arbeit wieder zunichte machen könnten. In seinen Alpträumen öffnete er die Mappe und fand darin den Befehl, nach La Rochelle zurückzukehren.
Er begriff, dass Tam auf eine Antwort wartete, und nickte abrupt. »Aye. Ich werde die Briefe am festgelegten Tag lesen, und wir können nur hoffen, dass sie dem Verlauf der jüngsten Ereignisse Rechnung tragen. Außerdem wird die Versammlung über unsere Streithähne zu Gericht sitzen. Dieser Fall ist zu wichtig, und wir dürfen ihn nicht aufschieben.«
Tam nickte. »Nun denn. Auf nach Brodick also.«
Nach der großen Versammlung am Strand von Lamlash hatte Will seine Männer aufgeteilt. Sein Bruder Kenneth hatte mit seinen hundert Rittern und Sergeanten die englische Festung Brodick übernommen. Reynald de Pairaud und Sir Edward de Berenger hatten ebenfalls dort Quartier bezogen, ebenso Bischof Formadieu und sein Klerus, sodass Brodick das eigentliche Hauptquartier der Templer auf Arran war. Die Bucht von Lamlash diente ihren Schiffen als Ankerplatz, und im Hinterland gab es reichlich Weideplatz für ihre Pferde.
Will selbst hatte sich mit der Garnison von La Rochelle in Loch Ranza an der Nordspitze von Arran eingerichtet. Der Fußmarsch nach Brodick betrug fünfundzwanzig Meilen und würde den Großteil des morgigen Tages in Anspruch nehmen. Die Versammlung würde dann am Epiphanienfest in aller Herrgottsfrühe beginnen, und Gott allein wusste, wie viel Zeit sie in Anspruch nehmen würde, war es diesmal doch mehr als nur ein rituelles Zusammentreffen der ranghohen Mitglieder der Gemeinschaft.
Diesmal war es ein Schicksalstag – für die Gefangenen, die die Verurteilung durch ihre Brüder abwarten mussten, und für Will, der den Inhalt der Mappe des Großmeisters fürchtete wie der Delinquent den Hieb des Scharfrichters.
2
S
CHON ALS JUNGER Mann hatte Will die Choralgesänge der Versammlung geliebt. Wenn es so etwas wie eine mystische Erfahrung gab, so war es der Widerhall der Männerstimmen im Kerzenschein eines Kirchengewölbes, das von kostbarem Weihrauchduft erfüllt war.
Doch in Brodick gab es keine Gewölbedecke über ihren Köpfen. Es waren zwar dieselben Choräle, doch unter der hohen Holzdecke gab es kein heiliges Echo, das die Betenden auf Gottes Wohlwollen hoffen ließ.
Als jetzt der letzte Wechselgesang verhallte, setzte allgemeines Räuspern ein, doch
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