Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schwur der Ritter

Der Schwur der Ritter

Titel: Der Schwur der Ritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
Vom Netzwerk:
beugten und ihre heiligen Worte schützten.
    Eigentlich sollte die Truhe auch den Aaronsstab enthalten, den sich Will jedoch stets mehr als mannshoch vorgestellt hatte – doch dann erinnerte er sich an Philipp Capets gedrungenes Zepter und fragte sich, ob es dem Stab wohl ähnlich war.
    Noch einmal überkam ihn die überwältigende Versuchung, den Deckel mit seinen goldenen Engelsbildern zu berühren – gefolgt von einer plötzlichen Vision, in der er zur Strafe in Flammen aufging. Und bevor er wusste, wie ihm geschah, hatte er den Deckel der äußeren Holztruhe zugeschlagen und das halbe Zimmer durchquert. Dreimal wanderte er durch die Schlafkammer, um das Bild der drohenden Engel aus seinem Kopf zu vertreiben.
    Schließlich trat er an den Schreibtisch seines Vaters, nahm die restlichen Schlüssel an sich und öffnete die drei verbleibenden Truhen, die mit roten Tongefäßen gefüllt waren, deren Öffnungen luftdicht mit Leder bespannt waren.
    Der Anblick der unversehrten Gefäße reichte ihm. Diese schlichten Tonkrüge bildeten den wahren Schatz der Templer. Die Bundeslade stand für religiöse Traditionen und Gottesfurcht, der Inhalt der Krüge dagegen hatte nichts Übernatürliches an sich. Er bestand aus fest zusammengerollten Papyrusbögen mit den schriftlichen Berichten der Gemeinschaft der Essener in Qumran, deren Anführer Jesus und sein Bruder Jakob, der Gerechte gewesen waren – Dokumente, die zweifelsfrei bewiesen, dass Jesus von Nazareth ein gewöhnlicher Mensch gewesen war und nicht der Sohn Gottes, der wundersamerweise von den Toten auferstanden war …
    Natürlich konnte man die Bedrohung, die diese Dokumente für die katholische Kirche darstellten, gar nicht groß genug einschätzen. Außerhalb des Ordens ahnte niemand etwas von ihrer Existenz, doch wenn Rom sie jemals fand, würde man sie sofort vernichten und dazu das Leben aller, die von ihnen wussten.
    »Will! Seid Ihr noch nicht fertig?«
    Will fuhr aus seinen Gedanken auf.
    »Doch. Ich komme.« Rasch schloss er die Truhen, legte die Schlüssel in das Schlüsselkästchen, hängte sich den letzten Schlüssel wieder um den Hals und schob ihn in sein Hemd. Noch einmal sah er sich im Zimmer um, um sicherzugehen, dass alles so war, wie es sein sollte, dann trat er zu Tam vor die Tür.

4
    I
    NNERHALB VON DREI Wochen waren Will und seine Männer wieder zurück auf Arran, wo ihn eine Gemeinschaft kurz rasierter Männer in der einfachen Kleidung der Einheimischen erwartete. Auch das zweite Quartier in Loch Ranza hatte den Betrieb aufgenommen; Bischof Bruno von Arles fungierte dort als Seelsorger, und Sir Reynald de Pairaud war der Präzeptor.
    Die Burg Loch Ranza stand vor der malerischen Kulisse der Berge im Hinterland auf einem Hügel am Rand der Bucht. Nach außen hin war sie gut zu verteidigen; innen verfügte sie über eine gewaltige Halle, die gut beleuchtet und dennoch nicht zugig war. De Pairaud hatte seine Zimmerleute beauftragt, ein Drittel dieser Halle abzutrennen und als Versammlungsraum für die Gemeinschaft einzurichten. Eine mit Eisenbeschlägen verstärkte Tür verschloss den Raum mit seinen Kanzelpodesten in den vier Himmelsrichtungen, zwischen denen sich ein Schachbrett-Fußboden aus schwarz und weiß gestrichenen Holzquadraten erstreckte, eine weitaus komfortablere Räumlichkeit als die, die ihren Brüdern in Brodick für ihre morgendlichen Riten zur Verfügung standen.
    In einem Nebengebäude war eine Schmiede eingerichtet worden, und den Großteil der Pferde hatte man aus Brodick geholt und sie weideten nun in den Tälern hinter der Burg. Einige der Brüder hatten ihr Talent für das Fischen entdeckt; andere waren damit beschäftigt, in den Hochmooren Torf zu stechen und die letzten Bäume des von den Engländern hoffnungslos ruinierten Waldes zu fällen. Eine kleine Sägemühle produzierte Planken für die Bauarbeiten in der Burg – Langeweile war den Männern also fremd.
    Auf dem Rückweg besuchte er die ausgelagerten Werkstätten und unterhielt sich persönlich mit den Männern, denen er sein Lob aussprach.
    In Brodick erwartete ihn ein Päckchen mit Depeschen von Sir James Douglas, mit dem er sich zurückzog, während ihm Tam Sinclair ein heißes Bad bereitete. Was seine Brüder ihm als Schwäche ankreideten, war eine Angewohnheit, die er unter den Mauren in Spanien angenommen hatte und die verhinderte, dass ihm die Kälte regennasser Tage in die Knochen kriechen konnte.
    Will schnitt das Lederband auf, das das Päckchen

Weitere Kostenlose Bücher