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Der Schwur der Ritter

Der Schwur der Ritter

Titel: Der Schwur der Ritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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Neffen hast, Andrews Sohn Henry, der nach seinem Vater unlängst auch seinen Herrn verloren hat – Sir Gilles de Mar, der in der Schlacht von Methven schwer verwundet wurde und vor zwei Monaten gestorben ist. Seitdem ruht Henrys Ausbildung, und er braucht einen neuen Herrn. Würdest du ihn nehmen?«
    »Das würde ich mit Freuden tun, Vater, doch wie soll das unter den Umständen gehen?«
    »Die Umstände können sich ändern – und der Junge ist vierzehn. Er muss Disziplin und Toleranz lernen, und er braucht ein Vorbild. Ich kann mir niemanden vorstellen, der dazu besser geeignet wäre als du.«
    Und so stimmte William zu, und als er später zu Bett ging, verfolgte ihn das Bild seiner Männer, die ihm ihre Söhne anvertrauten und selbst die Saat der Zukunft pflanzten. Umstände änderten sich, da hatte sein Vater recht – vielleicht war es ja wirklich an der Zeit, sie selbst in die Hand zu nehmen.

3
    E
    S WAR FRÜHER Nachmittag, und im Inneren der Schlafkammer, in der er zur Welt gekommen war, war es beinahe dunkel. Der Lichtstreifen, der durch das einzige Fenster auf den Holzboden und die Schreibtischkante seines Vaters fiel, ließ den Rest des Zimmers nur umso dämmriger erscheinen. Will lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, stieß einen tiefen Seufzer aus und richtete den Blick auf die kleine Truhe, die auf dem Schreibtisch stand.
    Der Schreibtisch war schon sehr alt – es hieß, dass er einmal einem Römergouverneur gehört hatte, der ihn zurückgelassen hatte, als sich seine Legionen vor über siebenhundert Jahren zurückzogen. Und so, wie er seit Generationen hier in diesem Zimmer stand, hatte es beinahe den Anschein, als sei das Haus selbst vor über hundert Jahren um ihn herum erbaut worden. Doch selbst der Eichenschreibtisch mit seiner Patina der Jahrhunderte war brandneu, verglichen mit den Gegenständen, die nun dahinter an der Wand standen.
    Ein Schauer überlief Will bei diesem Gedanken, und er richtete den Blick wieder auf die kleine Truhe, deren Messingbeschläge genau im Sonnenlicht standen und ihn nahezu blendeten. Der Schlüssel dazu hing ihm als deutlich spürbares Gewicht um den Hals – der Schlüssel, der es ihm – nur ihm, und nur jetzt – ermöglichen konnte, einen Blick auf den Inhalt der Truhen zu werfen, bevor sie wieder in der Anonymität verschwanden. Schon am nächsten Tag würden sie sie in der Höhle unter dem Land von Roslin versenken.
    Natürlich hatte er das Recht, denn er hatte die Schlüssel in seiner Obhut, doch wollte er es wirklich? Es kam ihm fast wie eine Störung ihrer heiligen Ruhe vor – doch von nun an würde sein Name untrennbar mit diesen Truhen verbunden sein. Also überzeugte er sich besser, dass sie mehr enthielten als wertlosen Abfall.
    Noch einmal seufzte er tief, dann erhob er sich, nahm den Schlüssel vom Hals, öffnete die kleine Truhe und nahm die Schlüssel heraus. Der Anfang war getan.
    Das Wichtigste zuerst, die Haupttruhe mit den zwei großen Vorhängeschlössern und den eisernen Ringen für die beiden Tragestangen. Er suchte die beiden passenden Schlüssel heraus, doch als er die Hand nach dem ersten Schloss ausstreckte, standen ihm plötzlich die Nackenhaare zu Berge, und sein Mund wurde trocken. Er leckte sich über die Lippen, riss sich zusammen, führte den Schlüssel ein … und stellte fest, dass es das falsche Schloss war. Noch ein Versuch, das zweite Schloss sprang mit einem öligen Klicken auf, und er griff nach dem Schlüssel für das andere. Die Metallscharniere der Truhe knirschten leise, als er den Deckel anhob, vorsichtig zuerst, dann mit einem heftigen Ruck.
    Eine Quiltdecke verhüllte den Inhalt, und Will zog sie heraus und ließ sie vorsichtig zu Boden gleiten. Gold glänzte ihm entgegen, denn nun fiel der schmale Sonnenstrahl auf die Oberfläche einer zweiten, vergoldeten Truhe, und er wusste, dass sein Blick auf die kostbarste Reliquie der Welt gerichtet war: die Bundeslade, gerettet aus dem Allerheiligsten des Tempels zu Jerusalem.
    Instinktiv streckte er die Hand danach aus, besann sich aber in letzter Sekunde und riss die Hand zurück. Der Legende nach durften nur Priester diesen Schrein berühren. Jede andere Person, die es tat, starb eines grausamen Todes – in den alten Schriften wurden sogar Beispiele zitiert. Stattdessen beugte er sich dichter über den Deckel der inneren Truhe, der mit zwei goldenen Gestalten verziert war – Seraphime, die jedoch eher wie Racheengel wirkten, die sich drohend über die Bundeslade

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