Der Schwur der Ritter
zusammenhielt, und zog zwei Dokumente hervor. Das eine war eine zusammengefaltete Notiz von Douglas, der ihn über das Wohlergehen des Königs unterrichtete und auch nicht unerwähnt ließ, dass sich der König stets lobend über die Hingabe seiner »Inselmänner« äußerte. Der Brief endete mit der geschwungenen Signatur: »Douglas«.
Der zweite Brief sah völlig anders aus. Er war zu einem ordentlichen Rechteck zusammengefaltet und trug ein wächsernes Siegel, das Will noch nie gesehen hatte. In der oberen rechten Ecke stand sein Name in kleinen, ordentlichen Buchstaben. Neugierig öffnete er das Siegel und faltete die drei feinen Pergamentbögen auseinander. Augenblicklich griff er nach der letzten Seite, sein Blick suchte die Signatur am Ende des Textes – und ihm stockte der Atem, als er die schlichte Unterschrift Jessica Randolph de St. Valérys sah. Warum in aller Welt sollte ihm ausgerechnet diese Frau einen Brief schreiben? Doch schließlich zwang er sich zur Gelassenheit, griff nach der ersten Seite und begann die zierlichen Lettern zu lesen, die in der Zunge des Anjou verfasst waren.
Sir William:
Ich zweifle kaum daran, dass Ihr entrüstet sein werdet, weil ich es wage, Euch zu schreiben, doch gewiss könnt Ihr Euch denken, dass ich mit Absicht in der Sprache Eurer reiferen Jahre schreibe. Sollte dieser Brief in Feindeshand fallen, so hoffe ich, dass man ihn nicht verstehen wird.
Ich schreibe Euch von einem Ort im Nordosten Schottlands, wo ich in den vergangenen beiden Monaten die Ehre hatte, mich um das Wohlergehen des Königs zu kümmern, der erkrankt war, sich aber zur Freude seiner Umgebung auf dem Weg der Besserung befindet.
Ich weiß, dass es schon Gerüchte über seinen bevorstehenden Tod gegeben hat, die gewiss auch Euch erreicht haben und Euch Anlass zur Sorge um Eure Position bereitet haben. Sollte dies so gewesen sein, so seid ohne Sorge, Sir, und wisset: Dem König geht es gut, und er plant mit seinen Freunden und Feldherren bereits die kommenden Feldzüge.
Womit ich zum eigentlichen Zweck dieses Briefes komme: Euch über die Pläne zu berichten, die hier geschmiedet werden. Eine Delegation einflussreicher Franzosen ist hier gewesen. Wir wissen nicht, wie sie den Aufenthaltsort des Königs herausgefunden haben, doch sie sind in aller Heimlichkeit gekommen und auch gleich wieder zurückgereist. Der Zweck ihres Besuchs war es, eine Allianz zwischen König Robert und Philipp Capet vorzuschlagen, um einen neuen Kreuzzug gegen die Mauren in Spanien vorzubereiten. Seine Gnaden hat die Delegation höflichst empfangen und geantwortet, dass er nicht abgeneigt sei, dass sein eigenes Reich jedoch noch nicht genügend gestärkt sei, um seine Abreise zu gestatten. Sobald die Männer fort waren, hat er mich gebeten, Euch diesen Brief zu schreiben und Euch zu versichern, dass es für Euch keinen Grund zur Sorge gibt.
Aus diplomatischer Sicht ist dieser Vorstoß von großem Wert, bedeutet er doch, dass der mächtigste König der Christenwelt König Robert anerkennt. Gleichzeitig lässt er sich als Waffe gegen jene benutzen, die gegen eine Aufhebung seiner Exkommunikation sind, denn ein Verdammter der Kirche kann niemals einen Kreuzzug anführen. Aus diesem Grund bittet Euch der König erneut, dafür zu sorgen, dass niemand erfährt, wer Ihr und Eure Männer seid, um diese delikate Annäherung nicht zu gefährden.
Ich hege großen Respekt für diesen Mann. Gleich nachdem Sir James mich ihm vorgestellt hatte, hat er mir die Ehre erwiesen, mir seine junge Nichte Marjorie anzuvertrauen, die illegitime Tochter seines geliebten Bruders Nigel, der durch die Hand der englischen Folterknechte umgekommen ist. Ich habe sie als meine Nichte adoptiert, und sie wird mich zum Sitz meiner Familie im Tal des Nith in der Nähe von Dumfries begleiten.
Dorthin werde ich bald aufbrechen, denn mit diesem Brief ist meine Arbeit hier getan. Sir James hat mir versprochen, dass er ihn Euch überbringen wird, wenn er das nächste Mal in die Nähe Eurer Zuflucht kommt. Ich verspreche Euch, dass ich Euch nicht weiter an der Ausübung Eurer grimmigen Pflichten hindern werde. Dennoch hoffe ich, dass Ihr mich trotz Eurer gestrengen Ansichten eines Tages vielleicht als Freundin betrachten werdet.
Jessica Randolph de St. Valéry
5
W
ILL KONNTE IN dem Bewusstsein ruhen, dass die Bitte des Königs längst und zur Genüge erfüllt war. Die Männer hatten die äußerlichen Veränderungen ohne Murren hingenommen und vollzogen die
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