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Der Schwur der Ritter

Der Schwur der Ritter

Titel: Der Schwur der Ritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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durch das Stadttor gebracht hat, ist die Frau … die Witwe meines Bruders. Sie schläft in einer der oberen Etagen, erschöpft von der tagelangen Flucht. Wie spät mag es sein?«
    Sinclair zuckte mit den Achseln. »Kurz vor Mitternacht, nehme ich an.«
    »Aye, so muss es sein. Heute wurde zum ersten Mal in der Geschichte der Präzeptur keine Vesper gesungen. Der heutige Tag hat alles verändert, für uns und auch für Lady Jessica, denn der Tempel hält schon lange seine schützende Hand über sie.«
    »Doch warum ist sie hier, und warum ist de Nogaret hinter ihr her? Habt Ihr nicht gesagt, sie lebt in England? Was macht sie in Frankreich, wenn sie auf seiner schwarzen Liste steht? Und was will er überhaupt von ihr?«
    »Geld, Sir William. Der Minister des Königs wittert fette Beute. Was – außer Hass – sollte ihn sonst antreiben?« St. Valéry seufzte. »Mein Bruder Etienne hat am Hofe Edward Plantagenets gelebt, um dort die Interessen der französischen Krone zu vertreten. Gleichzeitig ist er Kaufmann gewesen, hat allerdings stets versucht, nichts über sein Vermögen nach außen dringen zu lassen. Vor Jahren ist er eine Partnerschaft mit einem jüdischen Kaufmann namens Jeshua Bar Simeon eingegangen, in Béziers an der Küste des Languedoc. Das gemeinsame Unternehmen hat fast zwanzig Jahre lang floriert, bis Bar Simeon vor zwei Jahren schwer erkrankte. Da er wusste, dass er sterben würde, er aber ebenfalls nicht wollte, dass ihr Reichtum öffentlich wurde, hat er den gesamten gemeinsamen Besitz veräußert und den Erlös bei unseren Brüdern in der Präzeptur von Marseille deponiert.«
    St. Valéry warf Sir William einen Seitenblick zu. »Ihr seid ein Mann der Tat, Sir William, ein Ritter und Ratsmitglied, doch ich vermute, dass Ihr wenig Erfahrung mit dem Handelswesen der Templer habt. Und so weiß ich nicht, ob Ihr wisst, wie solche Transaktionen vor sich gehen.«
    Er hielt inne, und Sinclair schüttelte den Kopf.
    »Eigentlich ist es ganz einfach. Wenn jemand eine lange, gefährliche Reise unternehmen muss, bringt er sein Geld zur nächstgelegenen Templerkommandantur. Wir nehmen es in unsere Obhut, geben ihm ein Kennwort mit und stellen ihm ein Dokument aus, einen formellen Kreditbrief, den er mitnimmt und der Templervertretung am Ziel seiner Reise vorlegt. Gleichzeitig lassen wir durch unsere Flotte eine Kopie der Dokumente an das Ziel transportieren, das der Mann angegeben hat. Dort angekommen, legt er schließlich seine Dokumente vor und erhält die Summe wieder ausgezahlt, abzüglich eines kleinen Betrages für unsere Mühen. Ein solcher Kreditbrief kann nicht auf eine andere Person übertragen werden, denn das würde zum Zusammenbruch des Systems führen. Im vorliegenden Fall führte diese Bestimmung jedoch dazu, dass sich die Beteiligten in einer Sackgasse wiederfanden. Bar Simeon war dem Tode nahe, das konnte jeder sehen. Also hatte es keinen Zweck, den Kreditbrief auf seinen Namen auszustellen, da das nicht abgeholte Geld mit seinem Tod an unseren Orden übergegangen wäre. Und so musste der Präzeptor, Theodoric de Champagne, eine schwierige Entscheidung treffen.«
    »Was hat er getan?«
    »Er hat gebetet. Und dann hat er die Regeln, die ihm im Weg standen, ausnahmsweise umgangen, um das zu tun, was er für moralisch richtig hielt. Er hat den Kreditbrief in Etiennes Namen ausgestellt. Dann hat er die Dokumente unter Brief und Siegel an mich übersandt und mir in einem Schreiben alles erklärt und gesagt, Bar Simeon hätte ihm versichert, dass Etienne das nötige Kennwort wissen würde, weil es den beiden von Anfang an als Passwort gedient hätte. Wenige Tage nach der Transaktion ist Bar Simeon gestorben.«
    »Und Ihr habt den Brief Eurem Bruder in England übersandt?«
    »Nein. Das konnte ich nicht tun. Das hätte die Missachtung unserer Regeln zu weit getrieben. Ich habe ihm geschrieben, dass ich die Dokumente hier für ihn aufbewahre und er sie persönlich abholen soll. Ungefähr zur selben Zeit muss auch de Nogaret davon Wind bekommen haben. Da vor der Transaktion und der Übersendung der Dokumente an mich niemand von der Verbindung zwischen Etienne und Bar Simeon wusste, muss der Verrat aus unseren eigenen Reihen gekommen sein – von einem unserer Brüder in Marseille, einem korrupten Ritter oder Sergeanten, der von de Nogaret bezahlt wird. Eine andere Erklärung kann ich dafür nicht finden.«
    »Wäre es nicht möglich, dass der Spion hier war und Euren Brief gelesen hat?«
    »Nein, Sir

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