Der Schwur der Ritter
wartet auf uns. Ich glaube, Ihr kennt ihn noch nicht. Er ist ein wenig wortkarg, aber er stammt von hier und hat uns in den letzten Tagen treue Dienste erwiesen. Er hat für euch Feuer gemacht, dort könnt ihr es euch bequem machen, während ich euer Essen hole. Ich habe sogar Wein für euch, den hellen aus Anjou, den ihr so gerne mögt. Wenn ihr gegessen habt, könnt Ihr Sir William aufsuchen und ihm persönlich danken … solange ich nur nicht dabei sein muss.«
Tam war unterwegs, um das Essen zu holen, und sie saßen gemütlich am Feuer, das der schweigsame Mungo mit gut getrocknetem Treibholz nährte, als Jessie hörte, wie unter den Männern am Strand Unruhe aufkam. Doch selbst auf den Zehenspitzen konnte sie nichts sehen, und so war sie doppelt froh, als Tams Umriss vor dem dunkelgrauen Novemberhimmel auftauchte.
»Ein fremdes Schiff ist gesichtet worden«, sagte er auf ihre Frage, »doch noch können wir nicht sagen, wer es ist oder woher es kommt.«
Tam hatte noch einen weiteren Begleiter dabei, und gemeinsam trugen sie Verpflegung für sechs Personen – in Scheiben geschnittenes, saftiges Lamm- und Ziegenfleisch, Schüsseln mit würzigem Gemüse, frisch gebackenes, knuspriges Brot und Haferkekse mit wildem Honig und hartem Ziegenkäse. Eine wahrhaft königliche Mahlzeit nach dem langweiligen Essen auf See, und Jessie und ihre Zofen langten mit demselben Heißhunger zu wie die Männer. Schließlich schob Jessie das letzte Stück Käserinde beiseite und hob die Hände.
»Das war sündhaft gut, Tam. Gut gemacht.«
Tam brummte etwas Unverständliches und pulte sich mit den Fingern einen Essensrest aus den Zähnen. »Euer Dank gilt nicht mir, Mylady. Ich habe es ja nur geholt. Der Proviantmeister übersendet es Euch mit Grüßen von Sir Douglas.«
»Dann werde ich den beiden danken, falls ich ihnen begegnen sollte. Doch nun verratet mir, was Ihr über dieses Schiff wisst.«
Tam fegte ein paar Reste von seinem Holzteller ins Feuer, dann stellte er ihn auf den Boden. »Es war eine Galeere. Highlander aus dem Norden. Es hatte ein blauweißes Banner gehisst, also ist es sogar gut möglich, dass es Douglas war.«
»Möglich? Sicher seid Ihr Euch also nicht?«
Tam fixierte sie tadelnd. »Nein, Mylady, ich bin mir nicht sicher. Mir fallen fünf Adelshäuser ein, die ähnliche Banner haben. Douglas ist nur einer davon, doch da er die Insel für den König regiert, ist es wahrscheinlich, dass er es ist.«
»Und wer ist dieser Mann?«
»Ein guter Freund des Königs.«
»Dann muss ich ihn sehen. Er wird wissen, wo ich den König finden kann.«
Tam neigte den Kopf. »Natürlich, Mylady«, sagte er. »Wenn er es ist, werdet Ihr ihn bei Sir William antreffen.«
»So sei es. Dann wollen wir uns jetzt dorthin begeben«, erwiderte Jessie entschlossen und erhob sich.
5
N
ACHDEM ER SEINE zeremoniellen Gewänder abgelegt und sich wieder in seinen weißen Ritterumhang gehüllt hatte, speiste Will Sinclair mit Sir Reynald de Pairaud – einem Mann, mit dem er in der Anfangszeit auf Arran sehr vorsichtig würde umgehen müssen. De Pairaud hatte Verbindungen zu den höchsten Ordenskreisen, und sein Bruder, der sagenumwobene Sir Hugh de Pairaud, war eines der mächtigsten Ratsmitglieder gewesen.
Natürlich galt dieser Einfluss jetzt nichts mehr, doch das änderte nichts an dem Respekt, den die anderen Ritter de Pairaud zollten – und der sich möglicherweise gegen Will und seine Pläne wenden konnte. De Pairaud war dafür bekannt, dass er jede Veränderung verabscheute und die Tradition für ihn der einzig rechte Weg war. Will rechnete damit, dass der Mann jedem seiner Vorschläge lauthals und indigniert widersprechen würde, doch er war fest entschlossen, den alten Haudegen mit Hilfe unerschütterlicher Höflichkeit zu entwaffnen. Auch jetzt gab er sich alle Mühe, angesichts der Humorlosigkeit seines Gegenübers höflich zu bleiben.
Wieder einmal herrschte gerade Schweigen zwischen ihnen, als Will aufblickte und feststellte, dass ringsum alles auf den Zehenspitzen stand und zum Wasser hinüberblickte. Rasch erhob er sich und bahnte sich den Weg zu einer Stelle, an der er ebenfalls etwas sehen konnte.
Im Gegenlicht der sinkenden Sonne raste eine Galeere mit solcher Geschwindigkeit auf die Insel zu, dass sie gewiss auf den Strand laufen würde … Doch unvermittelt zogen ihre Ruderer gleichzeitig die Ruder ein, und die Fahrt des Schiffes verlangsamte sich, bis es präzise so zum Halten kam, dass seine Passagiere
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