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Der Schwur der Venezianerin

Der Schwur der Venezianerin

Titel: Der Schwur der Venezianerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
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sehr groß. Schon manches Mal kamen böswillige Räuber daher, mich meines kleinen Wohlstands zu berauben.“
    „Uns sollte heute Nacht eine einzige Kammer genügen“, schlug Pietro vor.
    „Albernes Zeug“, ließ sich Bianca vernehmen: „Geh du in deine Kammer, ich geh in meine.“ Sie wies ihm damit den Weg zurück in seine Einsamkeit und traurig folgte er dem harschen Befehl.
    Es war nicht mehr als ein Schlafplatz hinter einem Verschlag, in den sich Pietro zurückziehen musste. Seine Frau verschloss hörbar ihre Tür und flüsterte nur: „gute Nacht“.
    „Hatte er die schlechte Behandlung verdient?“, fragte er sich betrübt.

Visionen
    „Wie würde sich die gemeinsame Flucht aus Venedig in der Stadt am Arno auswirken?“, fragte sie sich, bevor sie zu Bett ging. Könnte sie mit Pietro gemeinsam … und dann war sie eingeschlafen.
    Am Morgen fragte sich Pietro, wie er seine Liebste, Bianca, zufriedenstellen könnte. Eine Antwort auf seine eigene Frage fand er nicht.
    Von der Cassaglia Passhöhe liefen sie viele Stunden hinab in die Richtung der Stadt am Arno, Florenz.
    An einem frühen Morgen, als die Luft noch frisch war und ihnen Kraft schenkte, erreichten sie das Dorf Pratolino. Ein überwältigender Blick hatte sie eingefangen. Steil die Anhöhe hinunter lag vor ihnen eine grüne Wiese durchsetzt mit hochragenden alten Bäumen. Links und rechts zurückweichend bis zum Horizont grüßten verschieden schmucke Örtchen auf sanften Hügeln. Und weiter geradeaus am Horizont, dort, wo das Licht die Berge nur noch in einem zarten Blau erscheinen ließ, entdeckte sie und wollte es kaum glauben, die Stadt ihrer Sehnsüchte, das wunderschöne Florenz. Sie hielt den Atem an, ihr Mund stand offen. War es wahr? Durfte es sein? Waren sie angekommen?
    Ihre beschwerliche Reise, ihre überstürzte Flucht, alles würde sich jetzt bezahlt machen.
    Sie breitete in ihrer Mönchskutte die Arme aus, sah mit Tränen in den Augen ihrem Freund lange in die Augen.
    „Wir sind angekommen, in den Gärten der Freiheit. Wir sind dort, wohin mich meine Seele hinsaugte, in der Idylle des schönen Florenz.“
    „Liebste, noch sind wir nicht da, noch nicht in Florenz. Wir werden noch manchen Fuß vor den anderen setzen müssen, bis wir das Haus meiner Eltern erreicht haben werden. Du musst dich noch gedulden.“
    „Wer kann es mir verübeln, mein Bruder“, so nannte sie Pietro, „dass ich mich jetzt und hier wie zu Hause fühle? Die Zeit der Flucht sehe ich vorbei, ich gehe neuen Zielen entgegen. Wir laufen nicht mehr von Venedig davon, wir gehen auf Florenz zu.“
    Pietro zog die Brauen ein wenig hoch, dieser feine Unterschied wollte ihm nicht einleuchten.
    Wie ein Gemälde, das ihr die schönsten Jahre verhieß, betrachtete sie das ausgebreitete Land zu ihren Füßen. Sie erfasste die überwältigende Schönheit der Hügel, die fruchtbaren Täler und die dahinter liegende Metropole.
    „Pietro, dies hier ist ein Ort, der mir Großes vorherbestimmt, hier erkenne ich meine schönsten Jahre, hier nehme ich das Glück wahr, das mir zu Füßen liegt.“
    „Bianca, noch wissen wir nicht, wovon wir unser nächstes Mal bestreiten wollen, du sprichst schon von einem Haus in diesem Dorf. Und was gibt es hier Schönes, das dich so in Begeisterung versetzt? Ein winziges Dorf, wie wir viele schon gesehen haben.“
    Sie lächelte, ihm war es entgangen, dass sie nicht von ‘uns’, sondern von ‘ich’ gesprochen hatte. Wenn sie ihr Glück in diesem Traumland genießen würde, wäre er nicht mehr bei ihr. Wie eine Vorahnung stürzten die Ereignisse auf sie ein. Als wäre sie hier schon einmal gewesen, als würden die Wiesen und Wälder dieses Dorfes ihren Lebensweg glücklich begleiten. Es war eine sehr frühe Morgenstunde, als sie den südlichen Rand des Ortes erreicht hatten. Erhabener Nebel breitete sich über die Landschaft. Aus den schwankenden Wolkenfetzen tauchten dunkle Zeichen auf und verschwanden wieder. Wie ein Dirigent einen Chor leitet, so erschienen aus dem Dunst Figuren und Standbilder, Häuser und Straßen, Bäche und Rinnsale. Sie schloss die Augen, um ihr Bild der höher steigenden Sonne nicht untergehen zu lassen, wies mit der Rechten auf die große Wiese vor ihnen.
    „Dort werde ich meine schönsten Tage verbringen, werde den Geist der Liebe und des Friedens atmen, ich werde glücklich sein, zumindest für eine gewisse Zeit.“
    „Bianca, du bist erschöpft von der langen Reise, wir hätten länger in unserer

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