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Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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»Das habe ich doch gern getan.«
      Vivian wurde es heiß. Hastig befreite sie sich aus der Umarmung und erklärte eine Spur zu schrill: »Kommen Sie, auf in den Kampf! Ich möchte endlich die Gesichter am Frühstückstisch sehen.« Dabei pochte ihr das Herz bis zum Hals.
      Als sie das Esszimmer betraten, waren drei Augenpaare auf sie gerichtet. Und in allen stand das blanke Entsetzen geschrieben. Neben dem Bischof und seiner Frau saß auch die junge blond gelockte Lady von gestern Nacht am Tisch.
      »Wie siehst du denn aus?«, entfuhr es Rosalind entsetzt.
      »Du ziehst dir sofort ein anderes Kleid an«, herrschte sie der Bischof an.
      »Nun lasst sie doch erst einmal in Ruhe frühstücken. Und was habt ihr eigentlich? Sie sieht bezaubernd aus, und ratet mal, wer dieses Kunstwerk vollbracht hat. Figaro Frederico.« Fred verbeugte sich übertrieben.
      »Bist du von allen guten Geistern verlassen?«, zischte seine Verlobte, die auf den zweiten Blick gar nicht mehr so engelsgleich aussah wie gestern Nacht im Garten, was Vivian nicht ohne eine gewisse Genugtuung mit einem Seitenblick feststellte.
      »In diesem Look hat sich schon Clarissa zum Gespött der ganzen Redaktion gemacht«, fügte sie bissig hinzu.
      Nein, sie ist ganz und gar nicht mehr süß, durchfuhr es Vivian. Im Gegenteil, mit dem zusammengekniffenen Mund bekommt sie etwas Ältliches.
      »Sie gehörten also zu der Fraktion, die das als Verschandelung empfunden hat?«, fragte Vivian keck und setzte sich.
      »Entschuldige bitte, Fred, ist mir etwas entgangen? Oder möchte mir vielleicht einmal jemand die junge Dame vorstellen, mit der du bereits so bekannt bist, dass du ihr die Haare schneidest?« Sie schüttelte sich angewidert.
      »Aber natürlich, meine Liebe«, säuselte Rosalind. »Das ist Vivian, sie ist eine Waise aus London, eine entfernte Verwandte deines zukünftigen Schwiegervaters. Er nimmt sie bis zu ihrer Volljährigkeit unter seine Fittiche.«
      »Aus christlicher Nächstenliebe, musst du wissen«, fügte Fred hinzu.
      Sein ironischer Unterton trug ihm einen vernichtenden Blick seines Stiefvaters ein.
      »Genau, und weil ich die Verantwortung für dieses Mädchen habe, befehle ich ihr jetzt, sich augenblicklich umzuziehen. Man kann ja ihre Knie sehen. Das ist unanständig!«, giftete der Bischof und sah an Vivian vorbei.
      Sie aber blickte angriffslustig in seine Richtung. »Verzeihen Sie, haben Sie mit mir gesprochen?«
      »Mit wem denn sonst? Und nun geh!«
      »Sie sollten wissen, dass ich solche Umgangsformen von zu Hause nicht kenne. Da hat man das Wort immer direkt an mich gerichtet, wenn man etwas von mir wollte. Und nicht über mich gesprochen, als sei ich gar nicht im Raum.«
      »Also, ich muss schon sagen, du nimmst dir etwas heraus«, schimpfte Rosalind.
      »Ich passe mich nur dem Ton des Hauses an«, erwiderte Vivian.
      »Du ziehst das Kleid aus, sonst geschieht ein Unglück!«, brüllte der Bischof.
      »Tun Sie ihm den Gefallen, Vivian, aber vergessen Sie nicht, das Kleid mit nach Whangarei zu nehmen«, bemerkte Fred mit einem Grinsen auf den Lippen, was ihm einen fassungslosen Blick seiner Verlobten einbrachte.
      »Das ist die junge Frau, die uns begleiten soll?«
      Er nickte eifrig. »Ja, Vivian wird uns helfen und sich nach unserer Rückkehr ein wenig in unserer Redaktion umsehen. Sie will nämlich auch zur Zeitung.«
      »Und was sagt Dad dazu?«
      »Das lass nur meine Sorge sein, liebste Isabel. Du weißt doch, dass dein Vater neuen Talenten gegenüber immer recht aufgeschlossen ist.« Er zwinkerte Vivian aufmunternd zu und machte ihr ein Zeichen, dass sie sich um des lieben Friedens willen doch lieber umkleiden solle.
      Vivian erhob sich ohne weitere Widerworte und eilte in ihr Zimmer zurück. Sie tat es nur, weil Fred sie so mutig gegen den Rest der Sippe verteidigt hatte. Wie wohltuend er sich von der übrigen Familie unterschied! Und dass er ihr einen Einblick in die Redaktion verschaffen wollte, erfüllte sie mit unendlicher Freude, wenngleich ihr Glück ein wenig durch die Tatsache getrübt wurde, dass die Zeitung offenbar dem Vater von Freds Verlobter gehörte.
      Ihre Wahl fiel auf ihr zweitliebstes Kleid. Es war auch ein leichtes Sommerkleid, gerade geschnitten, mittelgrün, aber länger. Es umschmeichelte ihre Waden und sollte ihrer Einschätzung nach eigentlich kein Missfallen der drei Kritiker erregen. Während sie ihrem Spiegelbild noch einen wohlwollenden

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