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Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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musterte ihn fragend, doch sie tat, was er verlangte.
      »Schließ die Augen!«, bat Matui.
      »Du machst es aber spannend.«
      Als ihr Onkel ihr einen Brief in die Hand drückte, schwante ihr etwas. Aufgeregt riss sie die Augen auf. »Peter hat doch nicht etwa geschrieben?« Sie warf einen Blick auf die Anschrift. »Aber der Brief ist ja an dich gerichtet.«
      »Ja, ich muss dir etwas beichten. Nach Tamatis Tod habe ich deinem Sohn geschrieben und ihm mitgeteilt, dass es dir schlecht gehe ...«
      »Und hast du ihm von Tamatis Tod geschrieben?«, unterbrach sie ihn atemlos.
      »Nein, ich habe ihn nach Mangawhai eingeladen, und jetzt - ein Jahr später - hat er mir endlich geantwortet.«
      »O Gott, bin ich aufgeregt!«, rief Lily und nahm den Brief aus dem Umschlag. Beim Lesen verfinsterte sich ihre Miene zusehends. »Was haben sie ihm nur eingeredet?«, bemerkte sie gequält, nachdem sie den Brief gleich dreimal gelesen hatte.
      »Tja, wenn er wüsste, wie viel Maori in ihm steckt, dann wäre er vielleicht nicht so überheblich«, sagte Matui ungerührt.
      »Das wird er nicht erfahren. Lass ihm doch seine Pakeha-Welt. Ich kläre ihn jedenfalls nicht darüber auf - und du auch nicht.«
      »Nein, nein, ich schweige, aber nur dir zuliebe. Doch stell dir mal vor: Er heiratet eines Tages und gründet eine Familie. Und nun erbt eines seiner Kinder nicht nur unsere braunen Augen, sondern unser schwarzes Haar oder unsere dunkle Haut. Wird er da nicht aus allen Wolken fallen?«
      Lily seufzte tief. »Du hast recht, ich kann ihn damit nicht verschonen, aber noch habe ich ja genügend Zeit, mir zu überlegen, wie ich es ihm sage. Was meinst du? Wie sieht er aus? Wie Edward?«
      »Lass dich überraschen, aber eines ist sicher: Matui Hone Heke sieht er nicht ähnlich. Sonst wüsste er, was für Blut durch seine Adern fließt«, lachte Matui.
      »Warum hast du dich eigentlich nach diesem Häuptling benannt, der den Fahnenmastkrieg angezettelt hat?«
      »Weil er mein großes Vorbild war.«
      »Aber dieser Krieg hat meine Großmutter Emily das Leben gekostet.«
      Matui hob die Schultern. »Ich weiß es wohl und werde es mir auch nie verzeihen, dass sie zwischen die Fronten geraten ist, weil sie mich retten wollte. Aber trotzdem hat Hone Heke wenigstens einen Versuch unternommen, der Dominanz der Briten etwas entgegenzusetzen. Und ist nicht alles so eingetreten, wie er es befürchtet hat? Die Pakeha sind uns zahlenmäßig inzwischen bei Weitem überlegen, und sie nehmen sich immer mehr von unserem Land. Ihre Krankheiten raffen unsere Leute dahin ...«
      »Siehst du, und deshalb kann ich nicht fortlaufen, weil ich ihnen helfen und dafür sorgen muss, dass ihre Frauen gesunde Kinder zur Welt bringen und nicht bei der Geburt sterben.«
      »Aber du darfst auch nicht um jeden Preis bleiben. Die Männer, die das Wort führen, sind Säufer und Raufbolde. Und du bist ihnen ein Dorn im Auge.«
      »Nur weil meine Liebe einem Maori gehört?«
      »Ja, das geht gegen ihren Stolz, denn du bist die schönste Frau von ganz Mangawhai und Umgebung.«
      »Du alter Schmeichler«, lachte sie.
      »Ich weiß, dass du nichts darauf gibst, denn ich kenne kaum eine Frau, die so wenig eitel ist, wie du es bist. Aber glaub mir, ich sehe die Blicke der Männer, und eine wie du, die macht ihnen Angst.«
      »Ach, Matui, hoffen wir einfach darauf, dass der Spuk bald zu Ende ist und sich die Kerle aus den Bergen beruhigt haben.«
      Matui wollte ihre Hoffnung gerade bekräftigen, als es laut an der Tür klopfte.
      »Ich gehe schon«, sagte Lily und kam wenig später in Begleitung eines gut gekleideten, ernst dreinblickenden Herrn zurück. Sie stellte die beiden Männer einander förmlich vor. Der Fremde hieß William Brewer und war Anwalt. Er sah gut aus und war bestimmt schon über vierzig, was ihr die grauen Strähnen in seinem sonst dicken, vollen dunklen Haar verrieten. Mehr wusste Lily auch noch nicht über ihren Besucher, denn er hatte darum gebeten, ihr sein Anliegen im Haus und nicht vor der Tür vorzutragen.
      Nun blickte sie ihn erwartungsvoll an.
      Mister Brewer räusperte sich ein paarmal, bevor er mit dem Grund seines Kommens herausrückte. »Sagt Ihnen der Name Füller etwas?«
      Lily nickte. »Leider ja.«
      »Dieser Mister Füller hat sich an das Distrikt-Gericht in Whangarei gewandt, mit dem Antrag, man solle Sie wegen Totschlags an seinem Kind und seiner Frau vor Gericht stellen. Das Gericht

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