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Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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und Sie verlassen hat, um meine Mutter zu heiraten und mich als seinen Sohn auszugeben. Hat Ihre Mutter denn jemals erwähnt, wie sie sich seinen Fortgang erklären konnte?«
      »Der Brief!«, rief Vivian erschrocken. »Sie hat mir einen Brief mitgegeben, den ich erst auf dem Schiff lesen sollte, aber dazu bin ich noch gar nicht gekommen. Ich hatte ihn ein paarmal in der Hand, aber es hätte mir zu wehgetan, ihre Worte mit dem Wissen zu lesen, dass ich sie nie wieder umarmen darf...«
      Fred hob die Schultern. »Also, meinetwegen dürfen Sie erst einmal Ihren Brief lesen. Ich warte so lange. Sie können ja klopfen.«
      »Nein, Fred, lassen Sie uns gehen. Ich lese ihn heute vor dem Einschlafen. Und erzählen Sie mir lieber, welcher Geschichte Sie auf der Spur sind. Ich bin doch völlig ahnungslos, was uns hier erwartet. Werden hier heute vielleicht ein paar besonders schöne Schafe verkauft, oder...?« Vivian unterbrach sich hastig und schlug erschrocken die Hände vor den Mund. »Oh, bitte entschuldigen Sie, Fred, das war nicht nett von mir. Es ist nur so - wenn man in diesen Ort kommt, kann man sich nicht so recht vorstellen, dass hier je etwas Aufregendes geschieht.«
      »Schon gut, Whangerei ist natürlich nicht London, und Ihren Jack the Ripper können wir nicht vorweisen, aber dennoch muss ich Ihnen widersprechen. Seit ich bei der Zeitung arbeite, war ich schon mehrfach hier. Zum letzten Mal, als man einen Schafzüchter in seinem Blut aufgefunden hat, vom Liebhaber seiner Frau kaltblütig ermordet. Wollen Sie Einzelheiten hören?«
      Vivian lachte. »Nein, bitte nicht! Ich glaube es Ihnen ja, aber wir sind doch wohl nicht hier, um über den Mord an einem Schafszüchter zu berichten, oder? Haben Sie nicht etwas von einem alten Mann erwähnt? Warten Sie, ich schließe nur noch mein Zimmer ab, dann können wir uns in die Arbeit stürzen.«
      Als sie schließlich in die gleißende Sonne hinaustraten, wusste Vivian, dass Fred mit dem Hut recht hatte. Die Sonne brannte regelrecht auf ihrem Gesicht.
      »Nun erzählen Sie doch endlich! Was ist das für eine Geschichte?«
      Fred räusperte sich. »Auf dem Vorplatz der anglikanischen Kirche, der Christ Church, wollen die Kirchenoberen ein Denkmal errichten lassen, und zwar für einen Missionar, der Mitte des vergangenen Jahrhunderts in der Bay of Islands - die liegt nördlich von hier - gewirkt hat. Es ist...« Er stockte und atmete tief durch, bevor er hastig sagte: »Ach, warum sollte ich Ihnen die Wahrheit vorenthalten? Sie werden sie ja ohnehin erfahren. Der Name des Missionars ist Carrington. Er ist ein Vorfahr Ihres Vaters, sein Urgroßvater, um es exakt zu benennen. Aber ich muss Sie von vornherein bitten, über alles, was wir hier vielleicht erfahren werden, Stillschweigen zu bewahren.«
      »Wem sollte ich es wohl erzählen? Ich kenne doch keinen Menschen«, erwiderte Vivian empört. »Und weiter?«
      »Es gibt jemanden, der nicht damit einverstanden ist, dass dieser Carrington geehrt wird. Ein alter Maori namens Matui Hone Heke. Er sitzt fast täglich auf dem Platz, wo das Denkmal errichtet werden soll, und verkündet, der Reverend habe diese Ehre nicht verdient. Doch was er damit meint, hat er bislang nicht verraten. Er spricht oder singt in Rätseln, die keiner versteht.«
      »Ich glaube, ich kenne des Rätsels Lösung. Wenn der Reverend auch nur halbwegs so ein Scheinheiliger gewesen ist wie der Bischof, sollte man ihm kein Denkmal setzen.«
      »Ja, wer weiß? Vielleicht liegen Sie gar nicht so falsch, aber woher will der alte Maori das wissen?«
      »Genau, das müssen wir herausfinden.« Vivian hatte vor lauter Aufregung gerötete Wangen bekommen.
      »Ja, aber erst einmal suchen wir dieses Geschäft auf.« Fred deutete auf eine Schaufensterauslage, die aus Dutzenden von Hüten bestand.
      Im Laden roch es nach Mottenpulver, und eine ältliche, streng blickende, ganz in Schwarz gekleidete Dame fragte sie nach ihren Wünschen.
      »Wir hätten gern einen Sonnenhut für die junge Dame.«
      Die Verkäuferin nickte eifrig und verschwand in einem Hinterraum, bevor sie wenig später mit einem Arm voller breitkrempiger Strohhüte zurückkehrte.
      Diese legte sie einen nach dem anderen auf dem hölzernen Verkaufstisch ab.
      »Hier haben wir unsere schönsten Modelle«, erklärte die Dame überschwänglich und nahm einen Strohhut mit einer riesigen Krempe in die Hand. »Der würde Ihnen sicherlich gut stehen«, sagte sie, während

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