Der Schwur: Schwerter des Zorns 1 (German Edition)
Entscheidung getrost mir überlassen dürft. Da Ihr so freigiebig mit meinem Namen um
Euch werft, habt Ihr sicher nichts dagegen, mir auch den Euren zu nennen?«
Der Fremde lachte. Seine sichtliche Erheiterung traf den Hradani wie ein Peitschenhieb, und er fühlte das erste heiße Aufflackern der Blutrunst. Er hielt sie in Schach, was ihm in seiner augenblicklichen Stimmung ziemlich schwer fiel. Er hatte es allmählich satt, immer wieder als Opfer für offenbar alle schlechten Scherze des Universums herzuhalten, und ein drohendes Grollen rollte in seiner Kehle, als der Fremde die Kapuze seines Ponchos zurückschlug.
Der Reiter war älter, als Bahzell ihn aufgrund seiner Stimme und seiner Haltung im Sattel geschätzt hatte, und sein sauber gestutzter Bart und seine wallende Mähne waren weißer als der Schnee. Sein dunkles, hageres Gesicht war von Sonne und Regen gegerbt, wies jedoch trotz des weißen Haares überraschend wenig Falten auf. Seine Gesichtszüge kündeten dagegen von einer Härte, die über die Zahl seiner Jahre weit hinausging. Der Pferdedieb bemerkte das Lederband, mit dem er im Stil der Sothôii sein Haar zurückgebunden hatte, die lange, kräftige Nase und das kräftige Kinn, dessen eigensinnigen Schwung nicht einmal der Bart verbergen konnte. All dem schenkte er freilich nur einen flüchtigen Blick, denn das Gesicht des Reiters wurde von seinen Augen dominiert. Es waren merkwürdige Augen, deren Iris nicht farbig zu sein schien, sich aber unaufhörlich bewegte und trotz des trüben Winterlichtes funkelte. Sie hatten weder eine Pupille noch etwas Weißes, sondern nur dieses unirdische Feuer, das die Höhlen unter den buschigen weißen Augenbrauen vollkommen erfüllte.
Bahzell starrte sie erschüttert und fasziniert zugleich an, und in seinem tiefsten Inneren schlug eine Alarmglocke, die gegen die Faszination kämpfte, die ihn bannte. Er hörte, wie Brandark hinter ihm zischend die Luft einsog.
»Ich glaube, dein Freund Brandark erkennt mich, Bahzell«, sagte der Fremde in demselben trocken amüsierten Tonfall.
»Gut möglich, aber ich erkenne Euch nicht!«, schoss Bahzell zurück und schüttelte mühsam den Bann dieser eigentümlichen
Augen ab. »Und mein Tag war schon anstrengend genug, ohne hier im Schnee herumzustehen und Rätsel zu lösen.«
Er trat mit erhobenem Schwert einen Schritt vor. Der Reiter lächelte jedoch nur, als habe er es mit einem Kind zu tun, das einen Wutanfall bekam. Bahzell fühlte, wie die Blutrunst bei der sichtlichen Belustigung des anderen in ihm aufflackerte. Doch in diesem Augenblick hörte er Brandarks Stimme hinter sich.
»Ich würde nichts übereilen, Bahzell«, sagte die Blutklinge sehr behutsam. »Es sei denn, du möchtest ein paar Jahre als Kröte zubringen.«
»Was?« Bahzells Ohren zuckten, aber seine Aufmerksamkeit war so sehr auf den Fremden gerichtet, dass er die Worte seines Freundes kaum registrierte.
»So etwas passiert manchmal mit Leuten, die Zauberer angreifen«, fuhr Brandark fort, und bei dem Wort »Zauberer« flammte blanke Wut in dem Pferdedieb auf. Die Blutrunst befreite sich aus dem stählernen Griff seines Willens und er sprang mit einem mörderischen Knurren vor. Die Spitze seines Schwertes zielte auf das Herz des Fremden, aber der Reiter bewegte sich nicht einmal. Er schaute den Hradani nur unverwandt an, und seine unheimlichen Augen flammten kurz auf wie zwei Sonnen.
Eine Macht, für die er keinen Namen fand, traf Bahzell. Sie schlug zu wie ein Hammer, der die Welt hätte in Stücke schlagen können. Und doch wurde sie mit einer Behutsamkeit ausgeübt, die fast so sanft vorging wie ein Mann, der einen Kolibri aus der Luft fing, ohne auch nur dessen Federn durcheinander zu bringen. Ein ungewohnter Schmerz prickelte in Bahzells Herzen, als sie das Unmögliche vollbrachte und den Hradani im Griff seiner Blutrunst einfror. Er konnte sich nicht bewegen und sein mörderischer Satz erstarrte einen halben Meter vor dem Ziel. Der Fremde schüttelte entschuldigend den Kopf.
»Verzeih mir. Ich weiß, dass du eine harte Zeit durchgemacht hast, und ich hätte meinem höchst fragwürdigen Humor nicht nachgeben sollen, aber ich freue mich schon sehr lange auf diesen Augenblick, Bahzell, und ich konnte einfach nicht widerstehen.«
Bahzell stand bewegungslos da, und wieder durchlief ihn ein Schock, als er merkte, dass die Blutrunst verschwunden war. Irgendwie hatte der Fremde sie gebannt, als wäre sie nie erwacht. Das war das Merkwürdigste von
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