Der Schwur: Schwerter des Zorns 1 (German Edition)
verschwinden. Ihr Plan hing viel zu sehr von einem Mann ab, den sie erst vor wenigen Stunden kennen gelernt hatten, und ganz gleich, wie ehrbar sein Ruf war, Wencit blieb ein Zauberer. Jetzt war jedoch nicht der richtige Augenblick für Bedenken und Bahzell trat um einen Busch herum in den Sturm.
Brandark blieb an seiner Seite, und sie marschierten zuversichtlich in die heulende Undurchdringlichkeit hinein. Sie konnten fast nichts sehen, aber Wencit hatte sie ausgezeichnet instruiert. Bahzell war sehr unbehaglich zumute gewesen, als Wencit einen polierten Stein hervorgezogen hatte, den er einen »Gramerhain« nannte und hineinschaute. Der herzförmige Kristall flackerte und leuchtete noch heller als Wencits Augen. Sein Licht hatte die Hradani geblendet, als sie ihn zu genau betrachteten. Wencit dagegen schaute lange aufmerksam hinein, steckte ihn wieder ein und zeichnete anschließend einen erstaunlich genauen Plan vom Lager ihrer Feinde in den Schnee. Der Wind hätte ihn eigentlich sofort verwehen müssen, tat er aber nicht, und Wencit war mit den beiden immer wieder geduldig den Lageplan durchgegangen, bis sie ihn so genau kannten wie ihre Handrücken. Auch wenn Bahzell die Herkunft dieses Planes Unbehagen bereitete, musste er zugeben, dass es gewisse Vorzüge aufwies, einen Zauberer auf ihrer Seite zu haben.
Vorausgesetzt, Wencit war tatsächlich auf ihrer Seite!
Er schüttelte den Kopf und schalt sich für seine Zweifel, aber bei Fiendark, der Mann war ein Zauberer. Zwölf Jahrhunderte instinktiven, glühenden Hasses wurden nicht so einfach in einem Augenblick ausgelöscht und …
Bahzell unterbrach sich und tippte gegen Brandarks Knie, als sich der Boden vor ihnen senkte. Sie standen am Rand der tiefen, geschützten Senke, in der ihre Feinde ihr Lager aufgeschlagen hatten. Es war so weit.
Bahzell warf einen kurzen Blick zu seinem berittenen Freund hinauf und sah den Widerhall seiner eigenen Zweifel auf dem
Gesicht der Blutklinge, grinste gequält, zuckte die Achseln und drückte Brandarks Knie. Die Blutklinge nickte, und Bahzell nahm sein Schwert in beide Hände, holte tief Luft und stürmte mit einem brüllenden Schrei den Hang hinunter.
Hufe donnerten neben ihm, als Brandark dem Pferd die Sporen gab, und sein wilder Schrei mischte sich in seinen Schlachtruf. Ihre Stimmen hätten in einer solchen Nacht spurlos verwehen sollen, doch stattdessen antworteten ihnen andere, ähnliche Schreie von allen Seiten, und plötzlich waren es nicht mehr nur zwei Hradani, die angriffen, sondern dreißig, beritten und zu Fuß, die ihre Wut hinausschrien. Obwohl Bahzell dies erwartet hatte, regte sich tief in ihm eine abergläubische Furcht.
Dann fühlte er nur noch die Kälte und den Wind, den Schnee auf seinem Gesicht, den Griff seiner Klinge in den Händen, und das wilde, wütende Pochen seines Herzens. Freudige Begeisterung erfüllte ihn, als er die Blutrunst losließ, und die Phantomkrieger an seiner Seite angriffen. Sein und Brandarks Schlachtruf hatten beide den Bann ausgelöst, den Wencit gewirkt hatte, und ein wildes, merkwürdiges Gefühl von Schöpfertum durchrieselte ihn, weil er diese anderen Krieger durch seinen Willen erschaffen hatte. In gewisser Weise hatte er sie sogar mehr erschaffen, als Wencit es getan hatte. Der Zauberer hätte sich mit einfachen Duplikaten von Brandark und ihm selbst begnügen können, aber sein Zauber war weit vielschichtiger. Er hatte Erinnerungen an Krieger aus dem Gedächtnis der Hradani gelöst und ihnen Leben eingehaucht. Die Echtheit dieser Illusion war erstaunlich. Die brüllenden, unwirklichen Gestalten hinterließen sogar Fußspuren im Schnee, und die bloße Zahl der Krieger, von denen jeder ein eigenes Gesicht hatte, seine eigenen Waffen schwang und mit seiner eigenen Stimme brüllte, erstickte jeden möglichen Zweifel ihrer Feinde im Keim. Das war ein echter Angriff, und die panischen Schreie und das schrille Wiehern der Pferde durchdrang die Nacht, als Bahzell durch den letzten Schleier aus Schnee in die windgeschützte Senke stürmte.
Vierzig Männer rollten sich hastig aus ihren Decken, griffen nach ihren Waffen und sprangen entsetzt hoch, als die Horde
Hradani mitten unter sie stürmte. Ihnen blieb keine Zeit, ihre Rüstungen anzulegen. Wer zur Nacht den Panzer abgelegt hatte, musste ihn liegen lassen, und dieses Gefühl der Schutzlosigkeit verstärkte ihre Panik noch.
Ein Mann versuchte, rücklings auf allen vieren Bahzell auszuweichen, aber es ging zu schnell.
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