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Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
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vor und klopfte gegen die Scheibe. Der Pförtner sah auf, runzelte die Stirn und machte das Fenster wieder auf. »Was ist denn noch?«
    »Jakob Stürmer«, sagte Philipp. »Der letzte Woche einen Mopedunfall hatte. Der ist doch noch auf Station drei, oder?«
    Der Mann warf einen kurzen Blick in sein Stationsbuch. »Ja, der ist noch da.«
    »Danke vielmals«, sagte Philipp liebenswürdig und marschierte geradewegs zum Aufzug. Melanie hastete hinter ihm her und konnte kaum glauben, wie einfach das gewesen war.
    »Seltsam, oder?«, sagte Philipp, während sie nach oben fuhren. »Normalerweise darf hier jeder rein. Irgendwas stimmt mit deinem Findelkind nicht.«
    »Vielleicht ist er schwer verletzt und liegt auf der Intensivstation?«
    »Das kriegen wir dann schon raus. Zuerst gucken wir mal in jedes Zimmer rein, weil wir unseren Vetter Jakob besuchen wollen und die Zimmernummer vergessen haben.«
    Damit handelten sie sich einige erstaunte und auch verärgerte Blicke von Patienten, Besuchern und Krankenschwestern ein, doch schließlich hatten sie Glück. Im letzten Zimmer auf der rechten Seite antwortete niemand auf ihr Klopfen, und als Philipp trotzdem die Tür öffnete, sahen sie einen Jungen, der im Bett lag und zu schlafen schien.
    »Das ist er!«, flüsterte Melanie aufgeregt und sie schlüpften hinein. Philipp schloss sorgfältig die Tür hinter sich. Sie traten ans Bett und schauten den Jungen an, und Melanie hatte das Gefühl, dass er viel kleiner und jünger aussah, als sie ihn in Erinnerung hatte. Vielleicht, weil sein Gesicht jetzt ganz friedlich war und nicht zu einer hässlichen Grimasse verzerrt. So sah er sogar recht hübsch aus, fast ein wenig zart. Seine blonden Haare waren gewaschen und gekämmt worden und er steckte in einem gepunkteten Schlafanzug.
    »Was jetzt?«, flüsterte sie. »Sollen wir ihn aufwecken?«
    Philipp trat nahe an das Bett heran und schaute sich den Jungen genau an. »Brauchen wir gar nicht. Sonja sieht genauso verkrampft aus, wenn sie nachts um eins ein Buch unter der Bettdecke versteckt. He, du, spar dir die Mühe, wir wissen, dass du wach bist.« Er streckte die Hand aus, hielt aber inne, als der Junge mit kalter Stimme aber klar und ohne jeden Akzent sagte: »Wenn du mich anfasst, bringe ich dich um.«
    Erschrocken trat Melanie einen großen Schritt zurück. Philipp ließ die Hand sinken, und der Junge öffnete die Augen, setzte sich auf und starrte sie hasserfüllt an.
    »Oha«, sagte Philipp gänzlich unbeeindruckt. »Du hast wohl zu viele Horrorfilme gesehen? Schön, wir wollen dich nicht stören. Du hast Melanies Handy vom Feld mitgenommen. Rück es heraus.«
    Der Junge warf einen Blick auf Melanie und schien sie jetzt erst zu erkennen; plötzlich sah er sehr argwöhnisch aus. »Was soll ich mitgenommen haben?«
    »Das Handy. Sie hat es fallen gelassen, als du mit dem Messer herumgefuchtelt hast. Oder hast du es den Sanitätern gegeben?«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest«, sagte der Junge feindselig. »Falls du das bunte Kästchen meinst, das ist da in der Truhe.«
    »Buntes Kästchen? Truhe?« Philipp drehte sich zu Melanie um, aber sie zuckte nur verwirrt mit den Schultern. Er zog die Schublade des Nachtschränkchens auf. »Buntes Kästchen ... tatsächlich, hier haben wir’s ja.« Er warf es Melanie zu und sie fing es auf. »Nicht einschalten, sonst kriegen wir Prügel vom Personal. Hör mal«, wandte er sich wieder an den Jungen, »ich möchte dich etwas fragen. Ich heiße übrigens Philipp und das da ist Melanie. Wie kam es, dass du da im Feld gelegen und dir den Fuß gebrochen hast? Und in was für einer Sprache hast du da mit mir gesprochen?«
    »Das geht euch überhaupt nichts an.«
    »Schön. Du hast also einfach so gemütlich bei Kälte und Nebel im Schlamm gelegen, fühltest dich wohl und hast dir die Gegend angesehen. Ist dir dabei zufällig ein Mädchen aufgefallen – klein und mager, glatte braune Haare, in Reitklamotten? Möglicherweise zusammen mit einem lahmenden grauen Pferd?«
    Etwas Lauerndes trat in den Blick des Jungen. »Nein. Warum sollte ich so ein Mädchen gesehen haben?«
    »Weil sie verschwunden ist«, sagte Melanie unglücklich. Sie konnte diesen Jungen überhaupt nicht leiden, aber etwas in seiner Stimme und seiner Haltung sagte ihr, dass er ihnen etwas verheimlichte. »Sie ist meine beste Freundin!«
    »Und meine Schwester«, fügte Philipp hinzu. »Sie ist heute zusammen mit diesem Pferd verschwunden – die Spuren hörten mitten im

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