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Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
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nicht so ängstlich klang, wie sie sich fühlte. »Wieso?«
    Sie antworteten nicht. Stattdessen beugte Max sich vor und starrte ihr ins Gesicht, dass sie jeden seiner Pickel zählen konnte. »Sag deiner Freundin, wenn wir sie erwischen, ist sie dran. Und dann nützt ihr auch der Gaul nichts mehr. Klar?«
    Sie nickte. Ihr Hals war wie zugeschnürt.
    Sie traten auseinander. »Hau ab«, sagte Max.
    Melanie warf sich die Tasche über die Schultern, öffnete mit zitternden Fingern das Fahrradschloss, schob das Rad von den »Hell’s Devils« weg, stieg auf und radelte davon, so schnell sie konnte.
    Auch heute hing der Nebel über dem Forstwald, als wollte er sich nie wieder auflösen. Es war kalt, feucht und ungemütlich, und während Melanie zum Waldhof radelte, überlegte sie, ob es nicht doch einen besseren Ort für Darian gab als das leere, unbeheizte Haus. Was, wenn sie ihn einfach mit nach Hause nahm?
    »Tolle Idee«, dachte sie. »Und dann schickt Mama ihn sofort wieder ins Krankenhaus, und ich bekomme für den Rest meines Lebens Stubenarrest.«
    Das war also keine Lösung. Zu Sonja konnte er auch nicht; die Wohnung war schon für sechs Leute viel zu klein. Aber musste er ausgerechnet auf dem Waldhof versteckt werden, wo die Erinnerung an Micky, Bjarni und die anderen Tiere noch so frisch war? Sie hatte es Philipp natürlich nicht gesagt, aber der Waldhof war voller Gespenster, denen sie sich eigentlich nicht stellen wollte. Und Sonja bestimmt auch nicht.
    Sie stellte ihr Rad auf dem Hof ab. Sonjas Rad lag noch immer verbogen und kaputt neben dem Stall. Ein silbriges Spinnennetz spannte sich zwischen dem Lenker und der Stalltür. Es sah unheimlich aus ... wo war Sonja wirklich? In einer anderen Welt? War das überhaupt möglich?
    Sie ging um das Haus herum, öffnete die Küchentür und trat ein. Die Scherben des Fensters, das Philipp eingeschlagen hatte, knirschten unter ihren Schuhen. »Darian?«, rief sie. »Ich bin’s, Melanie! Bist du oben?«
    Nach einer kurzen Pause kam die Antwort. »Ja, komm rauf.«
    Sie lief die Treppe hinauf und fand Darian im Schlafzimmer, wo er mit untergeschlagenen Beinen auf dem Teppich saß und an einer Scheibe Brot knabberte. Vor ihm lagen Blätter, die er in mehreren geraden Reihen angeordnet hatte. »Hallo«, sagte er. »Wie nennt man die Bäume, von denen diese Blätter stammen? Bei uns sehen Blätter ganz anders aus.«
    Melanie hockte sich hin und schaute die Blätter etwas ratlos an. »Das da ist ein Ahornblatt«, sagte sie. »Und das stammt von einer Eiche. Und das ... keine Ahnung. Buche oder Kastanie? Ich weiß es nicht. Wozu willst du das wissen?«
    »Ich muss doch lernen, mich in eurer Welt zurechtzufinden. Schließlich wissen wir nicht, ob Nachtfrost und deine Freundin je wieder zurückkommen. Kann man diese Blätter essen?«
    »Aber – ich meine – ich glaube nicht – das heißt, ich weiß es nicht! Wieso willst du denn Blätter essen?«
    »Dann vielleicht die Früchte?« Er drehte sich um und zog ein seltsames Gebilde zu sich heran – eine Tasche, die er aus dünnen, biegsamen Zweigen geflochten hatte. Daraus holte er eine Handvoll Kastanien und Eicheln. »Ich wollte euch nur erst fragen, bevor ich es versuche.«
    Melanie hatte das Gefühl, überrollt zu werden. »Nein! Ich meine – doch, ich glaube schon, dass man sie essen kann. Aber wir können dir doch etwas zu essen bringen! Oder du kannst dir etwas kaufen!«
    »Hm«, sagte Darian. »Ich glaube aber nicht, dass die Händler herkommen werden, nachdem der Hof verlassen wurde.«
    »Welche Händler?«
    »Die, von denen ich etwas kaufen könnte – wenn ich Geld hätte! Welche denn sonst?«
    »Aber die kommen doch nicht hierher, die haben ein Geschäft im Dorf!«
    Darian runzelte die Stirn. »Und was werden die Dorfbewohner sagen, wenn ein Fremder auftaucht? Außerdem werden die Heiler aus dem weißen Haus versuchen, mich wieder einzufangen.«
    Melanie setzte sich hin. Allmählich wurde ihr klar, dass esetwas schwierig sein würde, Darian zu erklären, wie ihre Welt funktionierte. »Das musst du doch nicht alles heute lernen, oder? Vielleicht kommt Sonja ja auch schon bald zurück, und dann kannst du wieder nach Hause. Und bis dahin bleibst du hier, und Philipp und ich versorgen dich mit Essen.« Sie fand, dass das vernünftig klang, aber Darian verzog das Gesicht. »Dann wäre ich ja von euch abhängig. Das kommt gar nicht infrage. Und ich verlasse mich nicht auf ein ›vielleicht‹. Was mache ich, wenn

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