Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
Vom Netzwerk:
So schön ... auf seinem Fell funkelten winzige Sterne, und die Mähne schimmerte wie ein Wasserfall aus Mondlicht. Warum konnten sie nicht einfach sofort aufbrechen und wieder über die endlose Ebene von Duntalye reiten? Aber was, wenn die Tesca sie daran hinderten, weil sie nicht wollten, dass ein fremder Mensch nachts durch ihren Wald ritt? So freundlich Veleria und die junge Frau auch gewesen waren – Sonja wollte sie ganz bestimmt nicht wütend machen. Sie schaute sich um und merkte erst jetzt, dass kein einziger Wolf mehr zu sehen war. Vielleicht streiften sie alle durch den Wald und taten das, was Werwölfe nachts zu tun pflegten: jagen.
    Sie erschauerte. Eigentlich war sie auch viel zu müde, um weiterzureiten. Sie hatte in der letzten Nacht viel zu wenig geschlafen.
    »Also schön«, murmelte sie und streichelte Nachtfrost ein letztes Mal. »Du bist ja bestimmt auch müde. Gute Nacht.«
    Nachtfrost warf den Kopf hoch, wie um gegen den Verdacht zu protestieren, dass er müde sein könnte. Dann wandte er sich ab und trottete davon. Sonja schaute ihm nach und machte sich dann auf den Weg zu dem lang gestreckten, niedrigen Holzhaus.
    Es schien mehr ein aus rohen Brettern zusammengehauener Verschlag als ein echtes Haus zu sein, und es hatte kein einziges Fenster. Auch keine Tür. Stattdessen gab es nur eine schmale Öffnung, hinter der es pechschwarz war. Ein durchdringender warmer Wolfsgeruch wehte ihr entgegen. Sonja hörte ein leises Schnüffeln und Schnaufen und blieb stocksteif stehen.
    »Komm nur herein«, sagte eine leise Frauenstimme.
    »Hilfe«, dachte Sonja. »Hätte es nicht einfach eine Jugendherberge sein können?« Aber weil es jetzt sowieso zu spät war, tastete sie sich mit wild klopfendem Herzen vorsichtig vorwärts.
    »Langsam«, sagte die leise Frauenstimme dicht neben ihr und eine Hand fasste sie am Arm und führte sie vorwärts. Noch immer sah sie nichts, aber jetzt hörte sie tiefe, gleichmäßige Atenzüge und leises Schnaufen von allen Seiten. Und eigentlich, dachte sie, hätte sie sich denken können, dass ein Volk von Gestaltwandlern weder Betten noch Decken benutzte, sondern sich nachts mit dem eigenen praktischen Pelz wärmte.
    »Du kannst hier schlafen«, sagte die Frau leise und ließ sie los. Sonja ging in die Hocke und tastete am Boden herum. Vielleicht gab es ja doch eine Decke – für Besucher? Aber stattdessen stieß sie nach kurzem Tasten auf ein warmes, atmendes Fell und erstarrte.
    Das Fell knurrte nicht und griff sie auch nicht an. Sonja kniff die Augen zu – nicht, dass es irgendeinen Unterschied machte – und rollte sich auf dem harten Erdbodenzusammen, wobei sie sofort zurückzuckte, wenn sie mit den Händen oder Füßen einen der Wölfe berührte. Es war kalt und unbequem, und bei dem Gedanken, dass sie die ganze Nacht so verbringen musste, fing sie fast an zu heulen. Aber sie schluckte die Tränen hinunter – nur die Wölfe nicht aufstören! Lieber blieb sie die ganze Nacht wach!
    Ein durchdringendes Heulen von draußen ließ sie hochschrecken – und nicht nur sie. Rings um sie wurde es plötzlich lebendig. Und offenbar hatten sich ihre Augen jetzt an die Dunkelheit gewöhnt, denn sie sah rund ein Dutzend schwarzer Schatten zur Tür huschen und verschwinden. Und noch während sie sich zurechtzufinden versuchte und sich wunderte, warum ihr nicht kalt war, verschwanden auch zwei warme Körper von ihrer Seite, die ihr offenbar als Kissen und Decke zugleich gedient hatten. Also war sie wohl doch eingeschlafen und die Wölfe hatten sie gewärmt! Aber was war jetzt los?
    Mehrere Stimmen nahmen das Heulen auf, aber jetzt kamen Schreie dazu. Draußen schienen Leute durcheinanderzurennen, und was war das – Pferde? Ein schrilles Wiehern gellte auf und wurde von dem schrecklichen Geräusch grollender Wölfe erstickt. Noch ehe Sonja richtig begriffen hatte, was vor sich ging, klapperte etwas auf dem Holzdach des Schlafhauses. Gleich darauf flackerte Licht durch die lose aufliegenden Bretter.
    Feuer! Das Dach brannte!
    Und es brannte wie Zunder. Schlagartig wurde die Luft heiß und Rauch breitete sich aus. Sonja stürzte zum Ausgang. Im Schein des großen Lagerfeuers sah sie Menschen und Wölfe, die miteinander kämpften – und Nachtfrost war mitten zwischen ihnen, schlug aus und stieß mit demHorn zu wie mit einem Speer. Ein Mann wurde vom Pferd gerissen und verschwand unter den Körpern der schwarzen Wölfe, und keine fünf Meter von Sonja entfernt brach ein Wolf mit

Weitere Kostenlose Bücher