Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
waren. Jetzt traten sie herein. Als sie sahen, daß ich Riberto gepackt hielt, riefen sie lachend aus:
    »
Ha, una riña, una pendencia
– ah, eine Prügelei, eine Schlägerei!«
    Sie drängten sich herbei, um zuzuschauen. Ich hatte mit dem Rücken nach der Thür zu gestanden und drehte jetzt den Kopf nach ihnen um. Da rief einer von ihnen:
    »
Holá, ea silencio, el rastreador
– holla, still da, das ist der Rastreador!«
    Rastreador heißt Pfadfinder. So war ich bei meinem vorigen Aufenthalte in den Pampas und den Anden oft und viel genannt worden.
    »
El rastreador!
« wiederholten seine Gefährten, und »
el rastreador!
« sagte auch Riberto, indem seine Augen sich noch weiter als vorher öffneten.
    »Ja, der Rastreador,« bestätigte der vorige Sprecher. »Der schießt hundert Kugeln aus seinem Laufe, ohne zu laden, und schlägt den stärksten Feind nur mit der bloßen Faust zu Boden.«
    »Sie kennen mich, wie es scheint, Sennor,« fragte ich. »Wo haben Sie mich gesehen?«
    »In Tucuman, als Sie damals mit den Toba-Indianern von dem Salzsee auf der Pampa de Salinas zurückkehrten.«
    »Aber ich kenne Sie nicht!«
    »Nein. Ich stand von weitem und habe nicht mit Ihnen sprechen können, Sennor.«
    Die Leute standen in höchst achtungsvoller Haltung da. Ich ließ jetzt die Arme Ribertos los und sagte zu ihm:
    »Sie scheinen meinen Namen auch gehört zu haben und wissen nun, mit wem Sie anbinden wollten. Lassen Sie sich das nicht wieder einfallen, und beherzigen Sie den hochernsten Rat, den ich Ihnen vorhin gegeben habe!«
    Es ging eine fliegende Röte über sein Gesicht. Er warf mir einen Blick des Hasses zu, der mich sicher durchbohrt hätte, wenn er von Stahl gewesen wäre; dann wendete er sich ab und wollte hinausgehen. Da trat ihm einer der Neuangekommenen in den Weg und sagte:
    »Wir erfuhren soeben, daß sich ein Comerciante Namens Perdido hier befindet. Sind Sie dieser, Sennor?«
    »Ja,« antwortete der Gefragte.
    »So verbieten wir Ihnen, hier Handel zu treiben. Wir sind auch Comerciantes und betreiben unser Geschäft in Compagnie.«
    »Sie haben mir nichts zu verbieten!« wehrte er sich in entschlossenem Tone.
    »Darüber denken Sie, wie Sie wollen, und wir werden thun, was wir wollen, wenn Sie uns nicht gehorchen!«
    Er ging hinaus; sie folgten ihm und setzten draußen den Zank mit ihm fort. Sie hatten mir Hochachtung erwiesen; das konnte mich aber nicht hindern, sie für das zu halten, was sie waren; sie sahen ganz wie Strolche aus.
    Ich hatte mich also nicht geirrt, als ich annahm, daß Sennor Perdido ein Händler sei. Er hatte das gestohlene Vermögen seines Vaters durchgebracht und mußte sich nun auf diese Weise ernähren.
    Als wir dann aufbrechen wollten, stellte es sich leider heraus, daß eines unserer Pferde lahmte. Wir mußten es gegen ein anderes umtauschen. Aber, sonderbarer Weise, obgleich die Bewohner des Dorfes von den Comerciantes alles mögliche, was diese hatten, kauften, verkaufen wollte am heutigen Tage keiner von ihnen; sie meinten, dies würde eine Entweihung des heiligen
Domingo de ramos
sein. Wir waren also gezwungen, bis morgen in Frutobamba zu bleiben. – – –
3.
Viérnes santo
(Karfreitag)
    Die drei später gekommenen Händler schienen Perdido doch imponiert zu haben, denn er bot, wie ich bemerkte, seine Waren niemanden an; ja, er packte sie nicht einmal aus. Wie ich später hörte, bestanden sie nur in Schmucksachen, wie sie von den Bewohnern dieser Gegenden getragen werden. Diese Sachen hatten sich in den zwei Paketen befunden, welche von ihm mit in unser Boot genommen worden waren.
    Diese drei Comerciantes brachten Leben in das Dorf. Sie hausierten nicht, sondern hielten ihren Markt vor der Posada ab, was dem Wirte Gäste und also Gewinn brachte. Die gute Laune, in welcher er sich dadurch versetzt fühlte, wurde an ihm zum Verräter. Er tischte Speisen und Getränke auf, welche er vorher nicht zu besitzen behauptet hatte. Sogar eine Flasche guten Cafayatawein bekamen wir für billigen Preis von ihm zu kaufen.
    Perdido hatte sich mißmutig in seine »Sala« zurückgezogen, und ich machte am Spätnachmittage wieder einen Spaziergang in die Umgegend des Dorfes. Am Abende kehrte ich zurück; es war dunkel, denn der Mond war noch nicht aufgegangen. Ich pflege, wie jeder geschulte Westmann, leise aufzutreten und die Sporen abzulegen, wenn ich nicht reite. Darum waren an jenem Abende meine Schritte wohl nicht leicht zu hören. Ich wollte nach den Pferden sehen und, als ich

Weitere Kostenlose Bücher