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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zusammen. Von da aus vermeiden wir alle offenen Plätze und können von heut an in vier Tagen in Echo-Cannon sein.«
    »Schicken wir Boten voraus?«
    »Das versteht sich! Sie gehen morgen früh direct nach dem Cannon und erwarten uns dort am Painterhill. Das ist Alles schon bestimmt. Selbst wenn die Arbeiter vollzählig im Cannon vorhanden wären, brauchen wir keine Sorge zu haben. Wir sind ihnen überlegen, und ehe sie nur zu den Waffen greifen, wird der größte Theil von ihnen gefallen sein.«
    Ich hätte wahrhaftig an keinem bessern Augenblick den Lauscher machen können, denn was ich hier erfuhr, das war weit mehr, als ich hätte erwarten dürfen. Sollte ich länger bleiben? Nein. Mehr konnte ich auf keinen Fall errathen, und der geringste Umstand konnte meine Anwesenheit verrathen. Ich zog mich also langsam wieder zurück.
    Dies geschah immer noch in tief gebückter Stellung und zwar rückwärts, denn ich mußte Sorge tragen, meine Spur zu verwischen, damit sie morgen früh nicht bemerkt wurde. Das war, da ich nur nach dem Gefühle gehen konnte und fast jeden Grashalm einzeln betasten mußte, eine höchst zeitraubende Arbeit, und es dauerte wohl eine Stunde, ehe ich den Rand des Waldes wieder erreichte und mich nun in Sicherheit befand.
    Jetzt legte ich die Hände muschelförmig an den Mund und ließ den Ruf der großen, grünen Unke ertönen. Das war vor Jahren ein zwischen mir und Winnetou verabredetes Rückzugszeichen gewesen, und ich war überzeugt, daß er es hören und befolgen werde. Den Indianern konnte dieser Unkenruf nicht auffällig sein, da die Gegenwart eines solchen Thieres hier im hohen, feuchten Grase leicht vermuthet werden konnte und es ja auch die Abendzeit war, an welcher diese Amphibien gewöhnlich ihren Ruf erschallen lassen.
    Ich hielt es für nöthig, dieses Zeichen zu geben. Der Apache lag unter dem Winde und konnte leicht entdeckt werden. Was ich erfahren hatte, war vollständig genug, und so war es jedenfalls gerathen, ihn zu benachrichtigen, daß unser Zweck erreicht sei.
    Auch die Höhe aufwärts mußte ich die Spur vertilgen, und so war ich endlich froh, als ich trotz der Dunkelheit unser Dickicht glücklich erreichte.
    »Nun, wie war es?« fragte Fred.
    »Wartet, bis Winnetou kommt.«
    »Warum? Ich brenne vor Begierde.«
    »So verbrennt meinetwegen! Man redet nicht gern Ueberflüssiges, und ich müßte ja meinen Bericht zweimal geben, erst Euch und dann dem Apachen.«
    Damit mußte er sich begnügen, obgleich es sehr lange dauerte, ehe der Apache kam.
    Endlich hörten wir das Strauchwerk rascheln; er huschte zu uns heran und ließ sich an meiner Seite nieder.
    »Mein Bruder Schar-lih hat mir das Zeichen gegeben?« sagte er.
    »Ja.«
    »So ist mein Bruder glücklich gewesen?«
    »Ja. Was hat der Häuptling der Apachen erfahren?«
    »Er hat nichts erfahren. Er brauchte eine große Zeit, um an den Pferden vorüber zu kommen, und als er das eine Lagerfeuer beinahe erreicht hatte, hörte er den Ruf der Kröte. Dann mußte er seine Fährte auswischen, und die Sterne sind hoch gestiegen, ehe er kommen konnte. Was hat mein Bruder gesehen?«
    »Ich habe Alles gehört, was wir zu wissen brauchen.«
    »Mein weißer Bruder ist immer glücklich, wenn er den Feind belauscht. Er mag erzählen!«
    Ich berichtete, was ich gehört hatte. Als ich fertig war, meinte Fred:
    »So ist also Eure Vermuthung richtig gewesen, Charles. Das mit dem Ueberfalle des Cannon habt Ihr gut errathen!«
    »Es war nicht schwer!«
    »Und wie sah der Lange aus? Einen Schnitt hatte er über die rechte Wange?«
    »Ja.«
    »Und einen großen Bart?«
    »Ja.«
    »Er ist es, obgleich er früher keinen Bart getragen hat. Den Schnitt hat er sich bei dem Ueberfalle einer Farm da unten bei Leawenworth geholt. Und wie wurde er genannt?«
    »Rollins.«
    »Das muß man sich merken. Es ist bereits der vierte falsche Name, den ich von ihm höre. Aber was werden wir thun, Sir? Heut heraus holen können wir ihn doch nicht!«
    »Das ist allerdings unmöglich. Und übrigens kann Euch an seiner Bestrafung allein doch nicht gelegen sein. Die andern Railtroublers sind nicht weniger schlecht als er. Ich will Euch sagen, Fred, daß ich mich auf allen meinen Streifzügen möglichst gehütet habe, einen Menschen zu tödten, denn Menschenblut ist die kostbarste Flüssigkeit, welche es gibt. Ich habe lieber großen Schaden getragen, ehe ich zur tödtlichen Waffe griff, und wenn es doch geschehen mußte, so geschah es sicherlich im äußersten Grade

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