Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
plateauartig aus und sank dann wieder zu Thale, wo wir bald wieder einen kleinen Wasserlauf erreichten, welcher nach Osten ging.
Hier hatten die Verfolgten zur Mittagszeit Halt gemacht und sich dann mit dem abbiegenden Wasser nordwärts gewendet. Wir kamen durch mehrere kleine Thäler, durch einige Schluchten, und die Spuren wurden nach und nach immer frischer, so daß wir uns zu immer größerer Vorsicht veranlaßt sahen.
Endlich erreichten wir gegen Abend die Höhe eines lang gestreckten Bergrückens, und schon wollten wir auf der anderen Seite abwärts biegen, als der voranreitende Apache sein Pferd anhielt und mit der ausgestreckten Hand vorwärts deutete.
»Uff!« rief er, aber mit gedämpfter Stimme.
Wir hielten an und wandten unsere Blicke in die angedeutete Richtung.
Zu unserer rechten Hand breitete sich tief unten eine kleine Ebene aus, deren Umfang vielleicht eine Stunde betragen mochte. Sie war offen und mit Gras bewachsen. Auf ihr erblickten wir eine ganze Anzahl von Indianerzelten, bei denen reges Leben herrschte. Ledige Pferde weideten im fetten Grün, und zahlreiche Männer waren ringsumher beschäftigt. Man hatte Fleisch gemacht. Außerhalb der Zelte lagen die Skelette einiger Büffel, und über Stangen hatte man Schnuren gezogen, an denen dünne Stücke des Büffelfleisches zum Trocknen aufgehängt waren.
»Ogellallahs!« sagte Fred.
»Seht Ihr, daß ich Recht hatte?« bemerkte ich mit einigem Selbstgefühle.
»Zweiunddreißig Zelte!« fügte er hinzu.
Winnetou hielt sein Auge scharf hinunter gerichtet und sagte dann:
»
Naki gutesnontin nagoiya
– zweihundert Krieger!«
»Und die Weißen sind bei ihnen,« bemerkte ich. »Wir wollen die Pferde zählen; so gehen wir am sichersten!«
Wir konnten die ganze Ebene übersehen und zählten zweihundertfünf Pferde. Für einen Jagdzug hatte man zu wenig Fleisch gemacht, auch war dieses Thal kein Ort zu einem einträglichen Büffelfang; wir hatten es also mit einem Kriegszuge zu thun, was auch die Schilde bewiesen, welche wir sahen. Auf der Jagd ist der Schild ja mehr hinderlich als förderlich. Das größte Zelt stand etwas abseits von den übrigen, und die Adlerfedern, welche seine Spitze zierten, ließen errathen, daß es das Häuptlingszelt sei.
»Was sagt mein Bruder Schar-lih. Werden diese Kröten von Ogellallah noch lange hier bleiben?« fragte Winnetou.
»Nein.«
»Woraus schließt Ihr das, Charles?« forschte Fred. »Eine solche Frage ist schwer und auch zu wichtig für uns, als daß man sie so schnell beantworten kann.«
»Seht Euch die Gerippe der geschlachteten Büffel an, Fred! Sie werden Euch die Frage genau beantworten.«
»Ah! Wieso?«
»Die Knochen sehen bereits weiß aus; sie sind gebleicht und liegen wohl schon vier oder fünf Tage an der Sonne. Das Fleisch ist also wohl ziemlich trocken. Meint Ihr nicht?«
»Jedenfalls!«
»Nun, so können die Rothen also aufbrechen. Oder meint Ihr, daß sie hier bleiben werden, um noch einige Partieen Schach oder Dame zu ziehen?«
»Ihr werdet spitzig, Sir, hihihihi! Wollte nur sehen, was Ihr sagtet. Ah, da tritt Einer aus dem Zelte! Wer mag das sein?«
Der Apache griff in die Innentasche seines Bärenfelles und zog ein – Fernrohr hervor. Das war gewiß ein seltener Gegenstand in der Hand eines Indianers. Auch Fred Walker war überrascht. Aber Winnetou hatte die Städte des Ostens gesehen; er war sogar als Abgesandter seiner Nation bei dem »weißen Vater«, dem Präsidenten in Washington gewesen und kannte von den Gebräuchen der Weißen weit mehr, als er sich gewöhnlich merken ließ. Er schob die Glieder des Rohres auseinander und setzte es an das Auge, um den Indianer, von dem Fred gesprochen hatte, genauer zu betrachten. Als er es wieder absetzte und mir hinreichte, zuckte ein grimmiges Wetterleuchten über sein Gesicht.
»Ko-itse, der Lügner und Verräther!« zürnte er. »Winnetou wird seinen Tomahawk in seinen Schädel pflanzen!«
Ich blickte durch das Rohr und sah mir den Ogellallah mit großem Interesse an. Ko-itse heißt Feuermund. Der Träger dieses Namens war als ein guter Redner, ein sehr verwegener Krieger und ein unversöhnlicher Feind der Weißen in der ganzen Savanne und im ganzen Gebirge bekannt. Wenn wir es mit ihm zu thun bekamen, so hatten wir uns vorzusehen.
Ich gab das Rohr auch Walkern zum Gebrauche und bemerkte dabei:
»Es wird gerathen sein, uns zu verbergen. Es sind weit mehr Pferde als Männer zu sehen, und wenn auch viele der letzteren in den
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