Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
befindet sich ja auch selbst in der Lage, Alles genau sehen, beobachten und benutzen zu können. Ist es bei Nacht, so befindet man sich allerdings unter dem Schutze der Dunkelheit, aber diese Letztere birgt wiederum die größten Gefahren in sich. Jeder Augenblick kann die Entdeckung bringen und mit ihr den unvermeidlichen Tod.
    Ich erreichte, mich unhörbar zwischen den Büschen und Bäumen hinabwindend, die Sohle des Thales und erblickte nun die Lagerfeuer vor mir. Jetzt nahm ich das Bowiemesser zwischen die Zähne, legte mich lang in das Gras und schob mich langsam vorwärts, dem Häuptlingszelte zu, welches in einer Entfernung von ungefähr zweihundert Schritten vor mir lag. Vor demselben brannte ein Feuer, aber das Zelt warf seinen dunklen Schatten auf mich.
    Ich gelangte nur Zoll für Zoll vorwärts, doch hatte ich die Luft gegen mich und brauchte daher keine Sorge vor den Pferden zu haben, welche die Annäherung eines Fremden immer mit einem lauten Schnauben zu verrathen pflegen. In dieser Beziehung hatte Winnetou mehr Schwierigkeiten zu überwinden als ich.
    So war weit über eine halbe Stunde vergangen, ehe ich die zweihundert Schritte zurückgelegt hatte. Nun lag ich unmittelbar hinter dem Büffelhautzelte des Häuptlings, und die Männer, welche am Feuer saßen, befanden sich höchstens acht Ellen vor mir. Sie unterhielten sich sehr lebhaft in englischer Sprache mit einander, und als ich es wagte, den Kopf ein wenig vorzustrecken, um sie sehen zu können, bemerkte ich, daß es fünf Weiße und drei Indianer waren.
    Diese Letzteren verhielten sich ruhig. Nur der Weiße wird am Lagerfeuer laut, während der einsilbige und vorsichtige Indianer mehr durch Zeichen als durch Worte redet. Auch das Lagerfeuer brannte hell und nicht nach indianischer Weise. Der Weiße nämlich legt das Holz so zu, daß er eine helle, hoch lodernde Flamme bewirkt; der Indianer aber bildet mit den Holzscheiten einen Stern, dessen Strahlen von dem Feuer aus nach Außen gehen. Auf diese Weise brennen die Scheite immer nur an dem einen Ende und werden nach Bedarf immer weiter in die Flamme geschoben, welche klein und niedrig bleibt. Lodert sie ja einmal zu hoch empor, so legt der besorgte Wilde sicher sofort feuchtes Gras auf, um die Gluth sogleich zu dämpfen, die ihn verrathen könnte.
    Einer der Weißen war ein langer, bärtiger Mensch, welcher eine Schmarre, die von einem Messerschnitte herzurühren schien, auf der rechten Wange trug. Er schien das große Wort zu führen, und die Art und Weise wie die Andern sich zu ihm stellten, ließ vermuthen, daß er eine Respectsperson sei. Ich konnte ein jedes Wort hören, welches von den Leuten gesprochen wurde.
    »Und wie weit wird es sein von hier bis Echo-Cannon?« frug der Eine.
    »Ungefähr hundert Meilen,« antwortete der Lange. »In drei Tagemärschen ist es sehr leicht zu erreichen.«
    »Aber wenn unsere Berechnung falsch ist, wenn man uns nicht verfolgt hat und die Leute dort also vollzählig sind?«
    Der Lange lachte in wegwerfender Weise und antwortete:
    »Unsinn! Man wird uns verfolgen, das ist sicher. Wir haben ihnen ja die Fährte deutlich genug gemacht. Es sind gegen dreißig Menschen mit dem Zuge umgekommen, und wir haben eine schöne Beute gemacht; das wird man nicht hingehen lassen, ohne wenigstens den Versuch zu machen, uns einzuholen.«
    »Wenn das stimmt, so muß der Coup gelingen,« sagte ein Anderer. »Wie viele Leute sind in Echo-Cannon beschäftigt, Rollins?«
    »Gegen hundertfünfzig,« sagte der indianische Späher, »alle gut bewaffnet. Außerdem gibt es dort einige wohlgefüllte Stores 5 , mehrere Trinksalons, und daß wir eine volle Bau-und Verwaltungskasse finden, darüber brauchen wir keine Sorge zu tragen. Ich habe gehört, daß diese Casse alle zwischen Green-River und Promontory vorkommenden Ausgaben zu bestreiten hat. Das ist eine Strecke von über zweihundertunddreißig Meilen, und es läßt sich also vermuthen, daß da viele Tausende vorhanden sein müssen.«
    »
Heigh-day,
das läßt sich hören! Und Du glaubst, daß wir die Verfolger von unserer Spur wegbringen?«
    »Auf jeden Fall. Ich calculire, daß sie morgen am Nachmittag hier sein werden. Wir brechen mit dem Morgengrauen auf, gehen erst eine Strecke nach Norden und theilen uns dann nach verschiedene Richtungen in so viele Trupps, daß sie nicht wissen, welcher Spur sie folgen sollen. Später verwischt ein jeder Trupp seine Spur auf das Sorgfältigste, und wir kommen da unten am Greenfork wieder

Weitere Kostenlose Bücher