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Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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Irrtümer, sogar große. Die Zeitungen waren voll davon, Menschen, die auf den Stufen des Gerichtsgebäudes standen, weinten, winkten, den Arm um ihre Mütter oder Schwestern oder Ehefrauen, nach zwanzig Jahren als unschuldig entlassen.
    Ed?
    Natalie kehrte ins Haus zurück, nahm eine halbvolle Flasche Lagerbier aus dem Kühlschrank, trank, warf die Flasche in den Mülleimer und ging ans Telefon. Die Nummer der Zeitung hatte sie innerhalb von zehn Sekunden und schrieb sie auf. Das war der einfache Teil. Dann ging sie nach oben.
    Kyras Zimmer war ordentlich. Kyra war ordentlich. Manchmal sagte Natalie zu ihr, die Feen hätten sie gegen ein anderes Kind ausgetauscht, so ordentlich, wie sie war. Alles aufgeräumt. Die Bilderbücher standen Rücken an Rücken, und Kyras Plüschtiere waren im Regal nach der Größe aufgereiht. Verdammt noch mal. Es war wie in Eds Haus, als Natalie damals dort gewesen war, sauber, aufgeräumt, ordentlich. Wie kam das nur?
    Sie schaute aus Kyras Zimmerfenster. Die Mauern waren da, das Dach, der Garten, das Tor, die Zaunlatten. Es war da. Dasselbe. Eds Haus. Sie fragte sich, was die Männer in den weißen Anzügen gefunden hatten, ob man Bescheid wusste, wenn man in einem der Zimmer stand. Es einfach wusste.
    Rasch lief sie die Treppe hinunter und nahm das schnurlose Telefon mit in die Küche.

    »Ich möchte mit Selina Wynn Jones sprechen.«
    »Einen Augenblick.«
    Das hatte sie nicht erwartet. Nur »einen Augenblick«, und dann die Musik aus der Konserve, Whitney Houston; Natalie wusste nicht, was sie erwartet hatte, und es hatte nur drei Sekunden gedauert.
    »Selina Wynn Jones.«
    Natalies Mund zog sich zusammen, als hätte sie eine Zitrone ausgelutscht. Sie meinte, nicht sprechen zu können.
    »Hallo? Kann ich etwas für Sie tun?«
    »Ja. Ich glaube … Also, kann ich Sie etwas fragen? Darum geht’s eigentlich.«
    »Wer ist da?«
    »Natalie … Miss Natalie Combs.«
    »Von?«
    »Wie bitte?«
    »Entschuldigen Sie, sind Sie von einer Agentur oder was?«
    »Nein. Ich habe nur … Ich habe Ihren Artikel in der Zeitung gelesen. Ich habe etwas zu sagen.«
    »Worüber?«
    »Meine Nachbarin … und meine Tochter. Über Kyra.«
    »Ich kann Ihnen nicht folgen.«
    »Okay.« Natalie atmete langsam durch. »Gut. Tut mir leid. Mein Name ist Natalie Combs, und ich wohne neben einer Mörderin. Neben Ed Sleightholme? Die mit den vermissten Kindern – dem kleinen Jungen, der ermordet wurde, und so. Sie ist im Gefängnis, sie ist angeklagt worden. Ich wohne nebenan.«
    »Ach so. Ich weiß, welchen Fall Sie meinen, aber ich bin mir nicht sicher, ob Sie mit der richtigen Person sprechen.«
    »Oh.«
    »Das ist nicht mein Ressort. Ich bin nicht in der Nachrichtenredaktion. Ich arbeite fürs Feuilleton.«
    »Oh.«
    »Sie sollten mit der Nachrichtenredaktion sprechen.«
    »Wirklich?«
    »Ich glaube schon.«
    »Ich möchte mit jemandem reden … meine Geschichte erzählen.«
    »O ja, verstehe. Äh … Moment … können Sie mir Ihre Telefonnummer geben? Lucy Groves arbeitet daran. Ja, Lucy Groves wird Sie zurückrufen.«
    Was sie nie tun würde. Natalie war klar, dass man sie abgewimmelt hatte.
    In zehn Minuten musste sie Kyra abholen. Sie schaute in den Kühlschrank, aber da hatte nur die eine Flasche Lager gestanden, und wieso trank sie mitten am Tag Bier? Sie mochte es nicht mal besonders.
    Sie nahm ein Glas heraus, um sich Wasser einzugießen, und das Klingeln des Telefons ließ sie so zusammenschrecken, dass ihr das Glas entglitt und auf dem Boden zersprang.

Fünfzig
    A m frühen Abend ließ ein spektakuläres Gewitter die Blase des heißen, klaren Wetters platzen. Simon beobachtete, wie eine Windbö Müll aus dem Rinnstein hoch in die Luft vor seinem Bürofenster wirbelte, und dann rauschte der Regen herab. Um das Gebäude gingen die Lichter an.
    »Chef? Kann ich kurz mit Ihnen sprechen?«
    »Kommen Sie rein, Nathan. Sind Sie mit unseren Graffiti-Burschen weitergekommen?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Ich weiß, dass so was für gewöhnlich in eine Sackgasse führt, aber es hat die Angewohnheit, sich wie Bärenklau auszubreiten, wenn man sich nicht gleich zu Anfang dahinterklemmt. Es werden Rowdys gewesen sein, doch Sie sollten es verfolgen.«
    »Mir geht’s nicht um den Einsatz … Na ja, eigentlich schon, und auch wieder nicht.«
    »Kommen Sie rein, setzen Sie sich, drücken Sie sich deutlicher aus.«
    »Danke, Chef.«
    Nathan setzte sich, fuhr sich mit der Hand durch sein struppiges Haar. Simon

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