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Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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und einen roten Schal. Sie seufzte. Kein Verrückter, kein Dieb, nicht betrunken, nicht – sie lächelte, als ihr das Wort einfiel –, nicht anrüchig.
    »Max«, sagte sie.
    Er wirkte verwirrt, als sei er sich nicht sicher, wo er war oder warum. Dann sagte er: »Lizzie.«
    »Max, es tut mir so leid.« Jane stand auf und ging zu ihm, streckte die Hand aus, um ihn am Arm zu berühren. Er schreckte zurück, als sei ein fremdes Wesen vor ihm aufgetaucht. »Ich habe die Abendgebete gesprochen. Möchten Sie sich in Ruhe ein paar Minuten hinsetzen?«
    »Warum?«
    »Sie sehen erschöpft aus.«
    »Ich bin rumgewandert. Ich kann nicht nach Hause. Ich kann nicht dahin zurück.«
    »Es ist sehr schwer.«
    Er machte ein paar Schritte in die Kapelle. Jane wartete. Sie und Max Jameson waren sich nur einmal begegnet, als sie Lizzie in Imogen House besuchen wollte. Er war kurz angebunden gewesen, hatte ihr gesagt, sie würde nicht gebraucht. Sie war gegangen, hatte Verständnis gehabt, war jedoch zurückgekehrt, als er fort gewesen war, um der schlafenden Lizzie den Segen zu spenden.
    »Ich hasse diesen Ort.«
    »Die Kathedrale?«
    Er deutete um sich. »Sie wollte, dass ich sie hierherbringe. Ganz am Anfang. Ich hätte sie überall hingebracht. Ich hätte sie auf meinem Rücken getragen … Es nannte sich Heilungsgottesdienst.« Er lachte, ein kleines, kaltes Lachen. »Da drüben habe ich gekniet. Ich habe sogar gebetet. Es hätte wirken können, ich hätte alles versucht, was sie wollte. Sie glaubte, dass es half. Das hat sie gesagt.«
    »Möchten Sie, dass ich jetzt ein Gebet spreche … oder mit Ihnen bete?«
    »Nein. Das hat keinen Sinn.«
    »Ich glaube doch.«
    »Natürlich tun Sie das.«
    »Ich werde beten. Setzen Sie sich einfach.«
    »Warum ist Lizzie gestorben?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Das würde man doch nicht mal einem Tier antun. Wer würde das schon? Was soll das?«
    »Kommen Sie … gehen wir hinüber zu mir, und ich koche uns einen Kaffee … Sie können reden, wenn Sie wollen, oder Sie können auch schweigen. Sie sollten nicht allein durch die Straßen wandern, Sie brauchen Gesellschaft.«
    »Ich brauche Lizzie.«
    »Ich weiß, Max. Wenn ich sie Ihnen zurückgeben könnte, würde ich es tun. Ich weiß jedoch, dass sie die ganze Zeit im Geiste bei Ihnen ist.«
    »Das ergibt keinen Sinn.«
    »Vielleicht wird es das bald tun.«
    Dann sagte er: »Sie sehen aus wie sie.«
    »Nein.« Jane lächelte. »Lizzie hatte diese wunderschönen langen Haare … glatt und weich …« Ihr Haar war dunkelrot und stand nach allen Seiten von ihrem Kopf ab, war unmöglich zu bändigen.
    »Sie sind jung, schön … Sie sind, wie sie war.«
    »Kommen Sie, Max … kommen Sie mit mir.«
    »Doch Sie leben, das ist der Unterschied, und Lizzie ist tot. Warum sind alle anderen nicht auch tot? Warum sind Sie nicht tot?«
    Jane nahm ihn am Arm, und er ließ sich von ihr fortführen, aus der Kapelle und durch den Seitengang der leeren Kathedrale. Er wirkte verwirrt, unsicher, wie er seine Schritte setzen sollte. Sie hatte Angst um ihn, sein Kummer und sein Schmerz waren so überwältigend, marterten ihn sowohl körperlich als auch emotional.
    »Seit wann haben Sie nichts mehr gegessen?«, fragte sie, als sie über den stillen Kathedralenhof gingen.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ich kann Ihnen etwas machen …, wenn Sie wollen. Kommt jemand von der Familie zu Lizzies Beerdigung?«
    »Ich will keine Beerdigung. Eine Beerdigung bedeutet das Ende von Lizzie, bedeutet, dass Lizzie tot ist. Verstehen Sie das nicht?«
    »Doch. Aber Lizzie ist tot. Ihr Körper ist tot«, erwiderte sie sanft.
    »Nein.«
    »Wir gehen durch dieses Seitentor. Der Bewegungsmelder wird gleich die Lichter einschalten.« Sie nahm Max bei der Hand wie ein Kind und führte ihn durch den Garten des Kantors, über einen Pfad mit einem Spalier an der Seite zu ihrem kleinen Bungalow. Irgendwo im Gebüsch raschelte eine Katze oder ein Fuchs, Augen glühten in der Dunkelheit auf.
    In der kleinen Eingangshalle herrschte immer noch ein großes Durcheinander. Jane knipste die Lampen in ihrem Arbeitszimmer an, schaltete den Gasofen ein und streckte die Hände nach Max’ Jacke aus.
    »Ich weiß nicht, was ich tun soll«, sagte er.
    »Setzen Sie sich dorthin. Ich koche Kaffee … oder Tee? Und ich mache ein paar Sandwiches … Ich hab auch noch nichts gegessen. Ruhen Sie sich einfach aus, Max.«
    Er sah sich im Zimmer um, betrachtete Janes Bücher, ihren Schreibtisch, das

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