Der Seele weißes Blut
zu, dann wandte sie sich an Schmiedel. »Und das zweite Zitat?«
Schmiedel blickte kurz zu Wiechert, bevor er mit seinem Bericht fortfuhr. »Das Zeichen aus Steinen am zweiten Tatort war ein wenig verrutscht, sodass es nicht sofort als Bibelstelle zu erkennen war. Wenn man aus dem ›V‹ ein ›K‹ macht, ist es ein Verweis auf den ersten Korintherbrief, Kapitel sieben, Vers eins: ›Es ist gut für den Mann, keine Frau zu berühren.‹«
Wieder brach allgemeines Gemurmel aus. Lediglich Ruth hatte die Arme verschränkt und starrte finster vor sich hin. Lydia hatte Mühe, sich Gehör zu verschaffen. »Was ist mit dem dritten Zitat, Schmiedel?«, fragte sie schließlich, was unverzüglich für Ruhe sorgte. Alle sahen sie erstaunt an, doch sie ignorierte die Blicke.
»›Ein schweigsames Weib ist eine Gabe des Herrn‹«, zitierte Schmiedel. »Buch Jesus Sirach.«
Lydia hatte dumme Kommentare erwartet, doch stattdessen ruhten alle Augen erwartungsvoll auf ihr. Niemand sprach. Sie sah Salomon an. »Möchtest du?«
Er nickte. »Mir ist vorhin etwas eingefallen«, begann er.
»Der Tag der Erleuchtungen«, murmelte Meier kaum hörbar.
Salomon tat so, als habe er ihn nicht gehört, und erzählte von dem alten Fall aus Köln.
»Wir müssen sofort mit den Kollegen Kontakt aufnehmen, die den Fall vor zwei Jahren bearbeitet haben«, sagte Köster schließlich, als Salomon geendet hatte. »Wenn das die erste Tat unseres Mörders war, dann war er damals offensichtlich noch nicht so gut organisiert. Vielleicht ist er doch gesehen worden oder hat irgendwelche Spuren hinterlassen.«
»Oder es existiert zumindest eine Liste mit den Kennzeichen der Autos, die auf dem Parkplatz standen«, ergänzte Meier.
»Wie gesagt«, erklärte Chris. »Der Fall ist nicht gerade vorbildlich bearbeitet worden. Die Akte ist unvollständig, einigen Spuren ist nicht nachgegangen worden. Das Ganze ist mehr als zwei Jahre her, ich weiß nicht, ob da heute noch was zu finden ist.«
»Ich würde das gern übernehmen«, meldete sich Mörike zu Wort, den Blick auf Lydia gerichtet. Alle sahen ihn überrascht an, er errötete und fuhr fort: »Ich möchte zeigen, was ich kann. Außerdem kenne ich mich in der Gegend aus. Ich habe nämlich mal in Köln gewohnt.«
Lydia zögerte. Der alte Fall könnte den Schlüssel zur Aufklärung der Morde liefern. Jedes Detail konnte entscheidend sein. Eigentlich hätte sie lieber einen erfahrenen Beamten daran gesetzt, damit nichts übersehen wurde. Andererseits würde Mörike mit alt gedienten Kollegen aus der Nachbarstadt zusammenarbeiten.
»Also gut, Mörike. Du sollst deine Chance haben. Ich möchte, dass alle Beteiligten noch einmal gründlich befragt werden. Du musst auf jeden Fall bei den Befragungen dabei sein. Achte auf weitere Parallelen zu unseren Fällen. Und guck dir vor allem diesen Zeugen genau an. Finde heraus, wo er wohnt, was er beruflich macht und ob er schon mal auffällig geworden ist. Er wäre nicht der erste Zeuge, der sich als Täter erweist.«
Mörike schrieb etwas auf seinen Notizblock, sein Gesicht war ernst. »Du kannst dich auf mich verlassen, Louis.«
Lydia nickte. »Okay. Und wir konzentrieren uns auf unsere beiden Fälle. Ich möchte, dass wir alle einschlägig vorbestraften Personen überprüfen. Alle Gewalttäter, deren bisherige Taten sich in irgendeiner Form gegen Frauen gerichtet haben. Prügelnde Ehemänner, Stalker, Vergewaltiger. Überprüft, wer von denen schon mal wegen religiöser Äußerungen aufgefallen ist.«
Ruth Wiechert räusperte sich. »Was ist mit dem Fisch?« Sie sah immer noch verärgert aus, aber sie schien sehr darauf bedacht, dass ihre Worte sachlich klangen.
»Dem Fisch?« Lydia hatte Mühe, ihre Stimme zu kontrollieren. An den verdammten Fisch hatte sie gar nicht mehr gedacht. Aber sie hatte sofort begriffen, worauf ihre Kollegin hinauswollte.
»Der Einbruch bei Kristina Keller«, antwortete Wiechert. »Der Einbrecher hatte einen Fisch an die Wand gemalt. Hat sie irgendjemandem erzählt, wie dieser Fisch genau aussah?«
»Spielt das eine Rolle?«, fragte Hackmann ungeduldig.
»Ich weiß, was du meinst, Ruth«, sagte Köster. »Der Fisch ist ebenfalls ein christliches Symbol.«
»Stimmt«, rief Schmiedel. »Den sieht man manchmal als Aufkleber an Autos. Eine einfache Zeichnung aus zwei geschwungenen Linien, fast wie von einem Kind. Meinst du das, Ruth?«
Sie nickte. »Das passt doch zu den Zitaten.«
»Du hast recht, das passt.« Schmiedel war
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