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Der Seelenbrecher

Der Seelenbrecher

Titel: Der Seelenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Caspar.
»Und dann gleich neun Leichenkühlschränke? Verdammt, hier gibt’s doch nicht mal so viele Zimmer.« Tom tippte sich abfällig gegen die Stirn.
»Raßfeld hat sich auf Virtopsie spezialisiert«, sagte Bachmann und schien sich darüber zu freuen, dass Schadeck mit dem Fremdwort nichts anzufangen wusste. »Um eine Leiche aufzuschneiden, braucht man entweder eine gerichtliche Anordnung oder die Einwilligung der Angehörigen«, erklärte er. »Doch viele wollen nicht, dass ihre Verwandten verunstaltet werden. Deshalb geht man immer häufiger dazu über, die Toten in die Röhre zu schieben. Leider dauert der vollständige Scan einer Leiche mehrere Stunden, oft die ganze Nacht. Normale Kernspingeräte sind für eine so lange Dauer gar nicht programmiert. Und auch wegen der Lärmbelästigung lagert man solche Untersuchungen am liebsten aus, und Raßfeld hat früh erkannt, dass sich mit Virtopsie ein hübsches Zusatzsümmchen verdienen lässt. Manchmal sind alle Kühlschränke belegt.«
Kawumm.
Caspar schrak zusammen und drehte sich zu der Wand hinter ihm um, wo Greta Kaminsky gerade dabei war, ein Kühlfach zu öffnen.
»Verdammt, was machen Sie denn da?«, fragte der Sanitäter, der sich offenbar ebenfalls zu Tode erschrocken hatte.
»Na was glaubst du wohl, Jungchen?«
Greta zog einen leeren Metallschlitten aus dem Wandfach.
»Ihr steht hier dumm rum und tuschelt so leise, als wären wir in einer Kathedrale. Der Respekt vor den Toten kann es ja wohl kaum sein. In Wahrheit geht euch doch allen nur die Muffe. Aber wenn der Seelenbrecher einen weiteren Hinweis für uns versteckt hat, dann doch wohl in diesen Dingern, oder?«
Kawumm. Sie hatte den Schlitten zurückgeschoben und öffnete ein weiteres Kühlfach.
Der Sanitäter lachte trocken auf.
»Sagte sie nicht, sie wäre in Angsttherapie?« Schadeck drehte sich mit hochgezogenen Augenbrauen zu den anderen um.
»Also die Pillen will ich auch«, stimmte ihm Bachmann zu.
Wie Yasmin musste auch Caspar widerwillig lächeln. Er spürte, dass sie dabei waren, in eine alberne Stimmung zu verfallen. Wie Angehörige, die sich nach einer Beerdigung Witze erzählen, um das Tal der Trauer, das vor ihnen liegt, mit erzwungener Heiterkeit zu überwinden. Kawumm.
»Auch nichts.« Greta hatte die dritte von den neun Isolationstüren zugeworfen. Und erneut zuckte die Gruppe zusammen, doch jetzt wegen eines neuen, andersartigen Geräuschs, das von der gegenüberliegenden Wand kam. Caspar überwand als Erster seine Starre.
»Was ist das?«, fragte er und zeigte auf den quaderförmigen Plastikkasten an der Stirnwand der Pathologie, der ihn auf den ersten Blick an eine Eistruhe erinnerte. »Eine weitere Kühlbox«, erklärte Bachmann.
»Das sehe ich. Ich meine das Geräusch?«
Caspar ging langsam an dem Sezierblock vorbei durch den Raum.
»Die Kühlflüssigkeit.« Bachmann bemühte sich, ein verharmlosendes Lächeln in seine Stimme zu legen. »Klingt wie ein Rasenmäher beim Gurgeln, ich weiß. Aber das Ding ist schon älter. Ich dachte, die Box ist schon ausrangiert. Raßfeld benutzt sie eigentlich nicht mehr.«
»Aha.«
Schadeck war ihm neugierig gefolgt.
»Und wieso steckt das Kabel von dem Ding dann in der Steckdose?«
Caspar legte beide Hände auf den Deckel. Die Truhe öffnete sich mit einem schmatzenden Sauggeräusch, und die Kälte quoll mit dampfendem Atem über die Kanten. Er hielt sich reflexartig die Hand vor den Mund, doch es war zu spät. Der beißende Gestank hatte sich schon eine Abkürzung zu seinem Gehirn gesucht. Über die Nase.
Caspar hustete, und seine Augen tränten, doch nicht wegen der süßlich stechenden Gase, sondern wegen des unerträglichen Anblicks.
»Und?«, fragte der Sanitäter hinter ihm nasal. Tom trat einen Schritt näher heran, die Nase mit zwei Fingern zugepresst.
»Was ist denn das? «, fragte er und klang dabei so entsetzt, wie Caspar sich fühlte.
Da die Truhe kein Innenlicht besaß, konnte er nicht erkennen, ob an dem blutleeren Körper noch alle Extremitäten vorhanden waren. Nur eines hatte er deutlich gesehen, bevor sich nun auch noch Yasmin und Bachmann hinter ihn stellten: Irgend jemand hatte dem augenlosen Schädel des Hundes die Hälfte der Kopfhaut abgezogen.
     

02.18 Uhr
    »Mr. Ed«, stöhnte Yasmin.
Caspar hatte das Gleiche gedacht und sich gleichzeitig geschämt, weil der Anblick der geschundenen Kreatur ihn völlig unberührt ließ.
Vielleicht ist er doch nur ein Streuner gewesen? Vielleicht kenne ich ihn ja gar nicht , wollte

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