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Der Seelenfänger (German Edition)

Der Seelenfänger (German Edition)

Titel: Der Seelenfänger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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präsentierte den Portiers die gedruckten goldumrandeten Einladungskarten und verschwand dann im Bauch des mächtigen Tieres.
    Als sich aber Sascha, Lily und Rosie ihnen anschließen wollten, verwehrte ihnen eine geschlossene Kette New Yorker Polizisten den Zutritt.
    »Aber ich bin Edisons Assistentin!«, protestierte Rosie.
    Der Beamte musterte sie von oben bis unten und bemerkte die durcheinandergeratene Frisur und das staubbedeckte Gesicht. »Was Sie nicht sagen, Fräulein. Und ich bin die Freiheitsstatue.«
    »Aber ich muss da rein!«, drängte Rosie. »Mr Edison wird mich entlassen, wenn ich nicht zur Stelle bin!«
    »Tut mir leid.« Der Beamte war jünger, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte. Und sein Bedauern schien echt zu sein. »Hier kommt keiner ohne Einladung rein. Das ist Vorschrift. Und ich verliere meinen Job, wenn ich dagegen verstoße.«
    »Ach bitte!«, flehte Rosie mit ihrem bezaubernden Lächeln. »Ich wäre Ihnen auch so dankbar!«
    Der Beamte blinzelte und schüttelte leicht den Kopf. Er sah aus, als hätte man ihm mit dem Schlagstock eins übergezogen. Aber noch war er nicht ganz betäubt, denn er brachte ebenfalls ein Lächeln zustande und sagte: »So dankbar, dass Sie nächsten Samstag mit mir ausgehen?«
    Lily stieß verächtlich die Luft aus, straffte die mageren Schultern und schob Rosie beiseite. »Ich kann Ihnen versichern, Herr Wachtmeister, dass wir geladene Gäste sind«, behauptete sie in ihrem unerträglich arroganten Feine-Leute-Ton. »Leider haben wir unsere Karten verlegt, aber wenn Sie jemanden in den Saal schicken und nachfragen lassen, dann …«
    »Was soll das jetzt heißen?«, fragte der Beamte nun Rosie gekränkt. »Wollen Sie mir jetzt weismachen, dass die anderen beiden auch für Mr Edison arbeiten?«
    »Hören Sie«, schaltete sich Sascha ein, ohne auf Lilys zornige Blicke zu achten, »wir müssen Inquisitor Wolf in einer dringenden Angelegenheit sprechen!«
    »Wirklich, sofort?«, fragte der Beamte mit ausgesuchter Höflichkeit. Er wandte sich an seine Kollegen. »Habt ihr das gehört? Sie müssen Inquisitor Wolf sprechen. Und zwar in einer dringenden Angelegenheit. Ich nehme allerdings an, dass ein so bedeutender Kriminaler wie Maximilian Wolf nur mit wirklich dringenden Fällen befasst ist. Er würde sich ja wohl kaum die Sohlen im Streifendienst ablaufen oder sich mit dem Kontrollieren von Einladungskarten befassen!« Er beugte sich zu Sascha herab und drohte ihm mit dem Finger. »Keine Einladung, kein Zutritt. So lautet die Vorschrift. Und wer meint, er braucht nur mit den Namen hoher Tiere um sich zu werfen, der kriegt höchstens einen Tritt in den Allerwertesten, dann weiß er, wo es langgeht.«
    »Das hast du prima gemacht!«, knurrte Lily, als sie unverrichteter Dinge von dannen zogen.
    »Was machen wir jetzt?«, fragte Sascha Rosie.
    »Versuchen wir’s hinten am Bühneneingang. Gewöhnlich ist die Tür um diese Zeit geschlossen. Aber wenn wir Glück haben, steht da kein Polizist. Dann können wir so lange klopfen, bis uns aufgemacht wird. Ihr beide! Ich weiß nicht, wer von euch schlimmer ist. Ich hätte mich schon noch eingeschmeichelt und wäre reingekommen, wenn ihr nur den Mund gehalten hättet!«
    Sie gingen eine Gasse hinunter, in der stapelweise leere Kisten standen, und fanden eine Tür mit der Aufschrift »Bühneneingang«. Weder Polizist noch Wächter waren zu sehen und die Tür stand einen Spaltbreit offen. Fast sah es so aus, als hätte man die Tür absichtlich für sie offen gelassen. Oder für jemand anderen. Sie schlüpften hinein, aber Sascha musste sich daran erinnern, wie der Beamte auf Wolfs Namen reagiert und wie der Polizeipräsident geradezu kriecherisch über J.P.Morgaunts grausame Späße gelacht hatte. Er ahnte, für wen oder für was die Polizei die Tür hatte offen stehen lassen, und das bereitete ihm ein mulmiges Gefühl.
    Rosie führte sie erst durch einen langen Gang und dann eine Wendeltreppe hinauf, die sich, wie Sascha vermutete, in einem Bein des Elefanten befinden musste. Die Treppe mündete in einen Raum, wo sich an den Wänden staubige Requisiten und Ausstattungsstücke aller Art stapelten. Und dann standen sie in den Kulissen und blickten in den großen, ganz mit Samt ausgeschlagenen Theatersaal, der sich über die vier Stockwerke des Hotels Elefant erstreckte.
    Die Show hatte noch nicht begonnen, doch das Publikum selbst war auch sehenswert. Ein solches Schauspiel konnte man sich nur in New York vorstellen.

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