Der Seelenfänger (German Edition)
bleiben und wie ein Mädchen flennen, statt zu tun, was man von einem Sohn erwartet.«
»Und sie hatte recht«, wurden sie zu ihrer Überraschung von J.P.Morgaunt unterbrochen. »Dein Vater war bloß zur falschen Zeit am falschen Ort. So ist er dem Plan in die Quere gekommen. Nur ein Narr ruiniert seine Zukunft, um einen Unfall zu rächen.«
Morgaunt hielt inne, um sich zu räuspern. Seine Stimme, die aus der Brust des Feuerwehrmannes kam, hatte etwas Beeindruckendes. Sie bahnte sich ihren Weg wie ein Schleifstein, der alles zu Pulver machte, was ihm in den Weg kam.
»Ah«, sagte Morgaunt, als sie um eine Ecke bogen. »Da ist er ja.«
Sie hatten Edison gefunden.
»Kann ich Ihnen behilflich sein, Mr Edison?« J.P.Morgaunts Stimme war der des Feuerwehrmanns zum Verwechseln ähnlich, und er packte schon mit an, um Edison beim Transport des unförmigen Ätherographen zu helfen.
»Vorsicht!«, rief Edison. »Fassen Sie hier unten am Gestell an. Und achten Sie darauf, dass …«
Doch weiter kam Edison nicht, denn als er sich über die Maschine beugte, hob J.P.Morgaunt die Axt und versetzte ihm mit der flachen Seite einen Hieb auf den Hinterkopf. Edison brach zusammen.
»Das hatte ich schon lange vor«, stellte Morgaunt befriedigt fest. »Der Mann redet einfach zu viel.«
Mit einem Tritt vergewisserte er sich, dass Edison wirklich bewusstlos war. Dann hob er sich den Erfinder auf die Schulter und trug ihn zurück zur brennenden Bühne. Sascha folgte ihm und ebenso Antonio.
Auf der Bühne angekommen, warf J.P.Morgaunt Edison einfach unsanft auf den Bretterboden. Mit einer herrischen Handbewegung bedeutete Morgaunt den Jungen, sich neben Edison zu setzen. Dann nahm er Antonios Messer und ließ sich gelassen nieder, als ob er gemütlich in seiner Bibliothek säße.
Das Feuer wütete um sie herum. Vom Vorhang blieben nur noch verkohlte Fetzen, und die Kulissen waren eine durchsichtige Feuerwand, die mit jedem Schwall glutheißer Luft Asche auf die Bühne warf. Sascha hatte das Gefühl, dass das Feuer sich auch in seinen Lungen ausbreitete, und er fragte sich, wann er, benommen vom Rauch, in einen tödlichen Schlaf versinken würde.
»Worauf warten wir denn?«, fragte er, mehr um sich wach zu halten, als in der Hoffnung, eine Antwort zu bekommen.
Der Mund des Feuerwehrmannes verzog sich zu einer Grimasse, die gar nicht zu dem ehrlichen irischen Gesicht passte. »Auf Inquisitor Wolf, auf wen denn sonst?«
»Und wenn er nicht kommt?«
»Das wird er. Er kommt dir zu Hilfe, wie es sich für die gute Seele gehört. Falls er aber nicht kommt, dann können wir hier gleich sitzen bleiben, bis wir verbrennen. Mir ist das gleich. Ich habe das immer schon interessant gefunden. Habt ihr euch nie gefragt, wie es ist, bei lebendigem Leib zu verbrennen? Nein? Leider werdet ihr tot sein, wenn es vorüber ist, also werdet ihr keine Erinnerung daran haben. Das macht die ganze Sache weit weniger erbaulich.«
»Aber wozu wollen Sie mich umbringen«, fragte Sascha, »wenn Sie mir den Mordanschlag auf Edison nicht anhängen können und Ihnen folglich ein Mittel fehlt, Wolf aus der Inquisitionsabteilung zu vertreiben?«
Zum ersten Mal machte J.P.Morgaunt ein überraschtes Gesicht. »Dich umzubringen, darum geht es doch gerade! Hat dich Wolf wirklich über deine magischen Fähigkeiten so im Dunkeln gelassen?«
Morgaunt schwieg eine Weile. Er schaute auf seine Hände und schien überrascht, dort Antonios Messer zu sehen. Er hob bedauernd die Schultern und legte das Messer neben sich auf den Boden. Dann schaute er wieder Sascha an.
»Vom ersten Augenblick an, da ich von dem Jungen erfuhr, der Magie erkennen konnte, war mir klar, dass du eine Gefahr für mich darstelltest. Ein Inquisitor, der über magische Fähigkeiten verfügt, das wäre schlimmer als zehn Maximilian Wolfs. Nein, Sascha, seit dem Tag in Mrs Lasskys Bäckerei stand das Urteil über dich fest. Selbstverständlich hätte ich dich lieber als meinen Angestellten denn als eine Leiche gehabt. Daher die Idee mit dem Dibbuk. Aber wie du selbst hast feststellen können, sind die Dibbuks von Magiern wie dir nicht besonders fügsam. Ich dachte, deiner wäre eher zu zähmen, da du dir deiner magischen Kräfte noch gar nicht bewusst warst. Das war freilich ein Irrtum.« Morgaunt schaute Sascha verärgert an, was unter normalen Umständen ein Grund zum Lachen gewesen wäre. »Spätestens als dieses vermaledeite Gespenst das Medaillon deiner Mutter gestohlen hat, hätte mir klar sein
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