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Der Seelenfänger (German Edition)

Der Seelenfänger (German Edition)

Titel: Der Seelenfänger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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habe eine kleine Vorführung für Sie vorbereitet. Nichts Offizielles. Der Ätherograph ist nach wie vor in der Erprobung. Bis zur feierlichen Premiere haben wir alle Hände voll zu tun. Ja, wir werden uns noch viele Nächte um die Ohren schlagen!«
    »Apropos«, unterbrach Wolf. »Ich wollte Ihnen ein paar Fragen stellen wegen des Überfalls auf Sie letzte Nacht.«
    »Nicht der Rede wert«, wiegelte Edison ab. »Vergessen Sie das. Der Ätherograph ist das Entscheidende!«
    Er führte sie ans andere Ende des Laboratoriums. Dort musste das Feuer ausgebrochen sein, denn immer noch hing leichter Brandgeruch in der Luft und der Fußboden war offenbar eilig gereinigt worden. Edison zeigte auf einen mit Papieren übersäten Tisch. Ein Ätherograph war nicht zu sehen, nur das Werbematerial für den Apparat.
    Werbung in allen Formen und Größen: Es gab Plakate für Werbetafeln, für U-Bahn-Stationen, für Anzeigen in Bussen und Droschken. Und der Ätherograph auf den Anzeigen sah Edisons tragbarem Phonographen, wie er in den letzten Monaten auf den Werbeflächen in ganz New York zu sehen war, erstaunlich ähnlich. Er hatte den gleichen Schalltrichter und den gleichen schachtelartigen Metallkörper mit dem aufklappbaren Oberteil zum Wechseln der Walze. Aber nur den Ätherograph schmückte die Figur eines silbernen Adlers, der genauso aussah wie der Adler auf Inquisitor Wolfs Dienstmarke. Unter dem Adler aber stand geschrieben:
    EDISON ÄTHEROGRAPH
    Tragbares System zum Nachweis ätherischer Strahlung
    Während die Anzeigen für den Phonographen mit zwei blonden Mädchen warben, zeigten die Plakate und Prospekte hier das Bild eines dunkelhäutigen Zauberers, der vor einem blonden Inquisitor kuschte. Der Inquisitor sah viel zu gut aus, um die leiseste Ähnlichkeit mit Inquisitor Wolf oder sonst einem echten Menschen aus Fleisch und Blut zu haben. Den Zauberer hatte der Künstler hingegen sehr realistisch gemalt, unter Hervorhebung der gemeinen, hässlichen Züge.
    Die lange spitze, noch dazu krumme Nase, die hohlen Wangen und Kummerfalten. Die tief liegenden, leuchtenden Augen samt dunklen Ringen – alles das kam Sascha schrecklich vertraut vor. Im Grunde sah der Zauberer wie Saschas Vater aus. Oder besser gesagt, so sähe sein Vater aus, wenn er sich einen Fünftagebart stehen lassen und in einem billigen operettenhaften Zauberermantel mit aufgenähten satanischen Symbolen herumlaufen würde.
    Die Anzeige war auf ihre Art brillant. Aber gutheißen konnte Sascha sie nicht, im Gegenteil, er hasste sie.
    »Aufregend«, ließ sich Wolf herab, zu loben, freilich klang seine Stimme alles andere als begeistert, sie klang so matt, als würde er gleich in ein Koma versinken. »Gibt es auch schon einen Prototypen des Ätherographen?«
    »Aber Sie haben doch schon einen in Morgaunts Bib…«
    Wolf brachte Sascha mit einer Handbewegung zum Schweigen.
    »Aber selbstverständlich, ein Ätherograph steht schon bereit, oder vielmehr wird bereitstehen.« Edison stieß ein nervöses Lachen aus. »Mr Morgaunt hat viel Geld in meine Erfindung investiert, da will ich ihn nicht enttäuschen!«
    Nun wandte sich Edison von Wolf ab und fixierte die beiden Lehrlinge mit dem durchdringenden Blick seiner blauen Augen, für den er berühmt war. »Was wisst ihr über ätherische Kraft?«, fragte er sie.
    Sascha hielt das für ein gar zu billiges Manöver, um vom Thema abzulenken. Er zögerte mit der Antwort und sah stattdessen Wolf an.
    Lily hingegen, die gern den Schlaumeier spielte, konnte den Mund nicht halten. »Die benutzen Hexen, wenn sie zaubern. Das weiß doch jeder.« Dann zeigte sie auf Sascha. »Und er kann sie auch sehen!«
    Plötzlich richteten sich aller Augen auf Sascha.
    »Ich mache das nicht absichtlich«, beeilte er sich zu sagen, so als müsse er Edison dazu drängen, seinen Prototypen endlich einsatzbereit zu machen. »Es passiert einfach so.«
    »Hm!«, schnaubte Edison. »Na ja, ich habe jedenfalls nicht den ganzen Tag Zeit zum Plaudern. Ich bin schon drei Minuten und zwölf Sekunden vom Plan abgewichen.«
    Damit begab er sich in die hinterste Ecke des Labors, wo ein unförmiges Gebilde unter einer ölfleckigen Plane im Dunkeln stand. Edison zog die Plane mit elegantem Schwung beiseite und das erinnerte Sascha an seinen Onkel Mordechai. Bei genauerer Betrachtung hatten sein Onkel und Edison vieles gemeinsam. Ja, Sascha fragte sich plötzlich, wie viel von Edisons Erfindertum Wissenschaft und wie viel Show war.
    »Voilà, der

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