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Der Seelenfänger (German Edition)

Der Seelenfänger (German Edition)

Titel: Der Seelenfänger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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tragbare Edison Ätherograph!«, posaunte er.
    Die Maschine, die er enthüllt hatte, sah überhaupt nicht wie der Ätherograph in den Anzeigen aus. Sie war so massig wie ein Küchenherd. Auf das Gehäuse waren unförmige Gestänge und Schalter teils gelötet, teils genietet und untereinander durch Gummischläuche und Kupferkabel verbunden. Auf dem Boden unter dem Ätherographen standen zig Kuchenformen und Untertassen, weil Öl aus den Gelenken und Ventilen tropfte.
    »Äh, das ist sein Prototyp«, erläuterte Edison mit dümmlichem Lächeln.
    Sascha starrte das Ungetüm an. Es glich in nichts dem Ätherographen, den sie in Morgaunts Bibliothek gesehen hatten. War Letzterer nur dazu gedacht, die Klangzylinder abzuspielen, aber nichts aufzunehmen? Oder gab es mehrere Varianten des Ätherographen? Wolf schien sich die gleichen Fragen zu stellen.
    »Er sieht gar nicht wie auf der Anzeige aus«, stellte er sachlich fest.
    »Wir haben ja noch mehrere Wochen bis zur Premiere«, sagte Edison. »Und außerdem geht der Erfolg bei einer Produkteinführung zu neunundneunzig Prozent auf das Konto der Verpackung. Dieses Produkt wird sich verkaufen, todsicher. Merken Sie sich meine Worte, in fünf Jahren wird in ganz Amerika in jeder Polizeistation solch ein Apparat stehen. Und was das bedeutet, Mr Wolf, das können Sie sich ja denken!«
    Wolf sah Edison nur teilnahmslos an. Er sagte nichts dazu, ja, er schien gar keine Meinung zu haben. Es war schon merkwürdig, was für ein Chamäleon dieser Mann doch war. Zuzeiten gab er sich so klug, scharfsinnig und witzig, dass Sascha ihn sich gut in Gesellschaft von Onkel Mordechai im Café Metropol vorstellen konnte. In J.P. Morgaunts Haus hatte er ausgesehen wie ein Butler. Und jetzt wirkte er wie ein dümmlicher irischer Polizist, der sein bisschen Grips nur darauf verwendete, woher das nächste Bier kommen könnte.
    Dass Wolf den begriffsstutzigen Polizisten mimte, hatte eine erstaunliche Wirkung auf Thomas Edison. Der Erfinder schien den Eindruck zu haben, Wolf werfe ihm im Stillen etwas vor, und dieser stumme Vorwurf traf ihn viel tiefer als kluge Worte und geschliffene Reden. Edison richtete sich zu voller Größe auf und setzte eine empörte Miene auf. Offenbar wollte er Wolf in die Schranken weisen. Doch dann schien ihn der Mut zu verlassen.
    Plötzlich war er nicht mehr der Zauberer des Lunaparks, sondern nur noch Tom Edison. Es schien so, als habe der geheime kleine Puppenspieler, der in seinem Innern die Fäden zog, das Theater verlassen, und zurück blieb nur die hilflos daliegende Marionette.
    »Glauben Sie etwa, dass ich das gern tue?«, fragte er mit verzweifelter Stimme. »Ich bin nicht Erfinder geworden, um Leute überflüssig zu machen. Wenn’s nach mir ginge, würde ich mich mit Kinematographie beschäftigen. Bewegte Bilder, witzige oder romantische Geschichten, über denen die Leute ihre Sorgen vergessen und sich für ein paar Stunden prächtig amüsieren könnten. Das würde ich viel lieber machen. Aber leider bin ich bloß ein Erfinder von Apparaten. Ich kann die Leute nicht dazu bringen, sie zu kaufen. Und Lachen und Romantik verkaufen sich nicht. Mit der Angst kann man ein Geschäft machen, mit Hexenjagd zum Beispiel.«
    Wolf hob unmerklich die Augenbrauen – für ihn schon eine heftige Reaktion. »Könnten Sie uns den Ätherographen einmal vorführen«, fragte er unvermittelt, »wenn es nicht zu viele Umstände macht?«
    »Ist das wirklich notwendig, Mr Wolf? Ich bin ein viel beschäftigter Mann.«
    »Allem Anschein nach trachtet Ihnen jemand nach dem Leben, Mr Edison. Möchten Sie mir nicht dabei helfen, ihn zu fassen?«
    »Ja, schon. Aber wissen Sie, zurzeit funktioniert der Prototyp noch nicht richtig.«
    Wolf schaute ihn verblüfft an. »Aber wir haben die Zylinder mit den Aufnahmen in Mr Morgaunts Bibliothek gesehen. Er hat sie uns vorgespielt.«
    »Oh, das ist etwas ganz anderes.«
    »Wieso?«
    »Das ist eine sehr technische Angelegenheit. Sie würden es doch nicht verstehen.«
    Wolf sah Edison so lange an, bis es schon peinlich wurde. Dann zuckte er die Achseln und wechselte das Thema. »Erzählen Sie mir von dem Dibbuk. Hat er Sie tatsächlich angegriffen? Oder hat er nur Feuer an den Ätherographen legen wollen?«
    »Äh …, beides, oder …, na ja, schwer zu sagen.« Edison sah verlegen aus. »Es war so: Ich bin hinter die Maschine gekrochen, um mich in Sicherheit zu bringen. Das war ein spontaner Einfall. Aber er hat versucht, mich da hervorzuzerren,

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