Der Seelenfänger (German Edition)
halten, damit sie sich anständig benahmen.
»Ich verstehe, was Sie meinen«, sagte Wolf zu Mendelsohn, »aber ehrlich gesagt hatte ich mir etwas praktischere Erkenntnisse erhofft.«
Mendelsohn begriff nicht gleich, worauf Wolf hinauswollte. Aber dann ließ er ein abschätziges Lachen vernehmen. »Wenn Sie mit einem praktischen Kabbalisten sprechen wollen, müssen Sie hinunter in die Hester Street gehen und sich mit den Rabbis aus den Mietskasernen unterhalten. Dort treibt sich eine ganze Riege herum und alle gehen in die
Schul
eines zerlumpten alten Ziegenbocks namens Kessler. Aber von dem werden Sie keinen vernünftigen Gedanken zu hören bekommen«, fügte Mendelsohn verächtlich hinzu. »Er riecht noch nach
Schtetl
.«
»Also, hören Sie mal …«, schaltete sich Sascha ein.
Doch Wolf unterbrach ihn, bevor Sascha dazu kam, Mendelsohn zu sagen, wonach er rieche.
»Und was ist mit meiner anderen Frage?«
»Oh ja, das.« Mendelsohn gab sich plötzlich sehr zugeknöpft. »Eine solche Idee ist mir mein Lebtag noch nicht untergekommen, eine Maschine zu konstruieren, die einen Dibbuk erschafft. Und doch …«
Wolf wartete regungslos wie eine Katze vor dem Mauseloch. Man hörte nicht einmal seinen Atem.
»Ich bin mir sicher, dass nichts dahintersteckt«, wiegelte Mendelsohn ab. »Sie sind allerdings nicht der Erste, der mir diese Frage stellt. Ich hatte Besuch von …, nun, jemand fragte mich über …«
Wolf wartete einfach ab. Er hatte die erstaunliche Gabe, eine peinliche Stille entstehen zu lassen, gegen die sich sein Gegenüber nur mit Drauflosschwatzen wehren konnte. Ob man das auch lernen konnte, fragte sich Sascha, oder besaß man das von Geburt an?
»Sie hatten Pläne dabei«, verriet Mendelsohn. »Jemand hatte ein Patent für den Apparat angemeldet, und nun wollten sie meine Meinung erfahren, ob so etwas überhaupt funktionieren könnte oder nicht … Ich hatte den Eindruck, dass sie mit dem Gedanken spielten, eine ziemlich hohe Summe zu investieren.«
»Sie?«
»Ich bedauere, aber mir ist nicht gestattet, Ihnen die Namen der beteiligten Parteien zu nennen«, sagte Mendelsohn steif und förmlich. »Ein Rabbiner ist wie ein Priester. Die Menschen, die zu ihm kommen, setzen Vertrauen in ihn. Und sie verlassen sich darauf, dass …«
»Selbstverständlich«, sagte Wolf verständnisvoll. »Ihre Gemeinde baut auf Ihre Diskretion. Und eine so hoch angesehene Gemeinde wie die Ihre muss voraussetzen, dass ihr Rabbiner sehr verschwiegen ist.«
»Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis, Inquisitor …«
»Aber so wie der Fall gelagert ist, werden Ihre Mitglieder verstehen, dass Sie die Ermittlungen der Polizei unterstützen. Wäre Montag zu früh, mit der Befragung der betroffenen Personen zu beginnen? Und hätten Sie geeignete Räumlichkeiten, wo man, nun, ›Verhör‹ ist ein unschönes Wort, sagen wir lieber die ›Unterredungen‹ durchführen könnte?«
»Sie wollen rechtschaffene Bürger in meine Räume einbestellen und sie wie Verbrecher verhören?«, schrie Mendelsohn entsetzt auf. Seine Würde hatte er mit einem Schlag vergessen. »Was um alles in der Welt wollen Sie sie fragen?«
Wolf lächelte. »Ich hätte da so einiges.«
Rabbi Mendelsohn stöhnte leise und legte eine Hand an seine edle Stirn. »Wenn ich Ihnen sage, wer es ist, gehen Sie dann?«
Wolf lächelte noch breiter.
»Na schön. Es ist Thomas Edison. Und da Sie es wahrscheinlich sowieso herausfinden, kann ich Ihnen auch gleich sagen, dass Mr J.P. Morgaunts Bibliothekarin, Miss da Serpa, den Termin für ihn arrangiert hat.«
Bei dieser Enthüllung zuckte Wolf nicht mit der Wimper, doch gerade aus Wolf starrem Gesichtsausdruck entnahm Sascha, dass die soeben erhaltene Auskunft sehr wichtig war.
»Sie sagten, dass jemand ein Patent für den Apparat angemeldet habe«, sinnierte Wolf. »Erinnern Sie sich noch an den Namen?«
»Nein.«
Wolfs blasse Augen wurden größer. Die Bewegung war kaum merklich, sodass von einem Gefühlsausdruck eigentlich nicht die Rede sein konnte. Und doch hatte sie eine große Wirkung auf Rabbi Mendelsohn.
»Ehrlich gesagt, ich habe nicht richtig darauf geachtet … aber ich glaube, er fing mit W an. Und es war kein gewöhnlicher Name. Worley, Wormley oder so. Aber ich erinnere mich genau, wie die Maschine genannt wurde, nämlich ›Seelenfänger‹.«
Es schien, als wollte Wolf noch eine Frage stellen, aber dann steckte er sein Notizbuch in die Jackentasche und stemmte seinen schlaksigen Körper aus
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