Der Seelenfänger (German Edition)
vornherein verlorene Schlacht zog.
Sascha hatte in der Zeitung schon viele Artikel über Maleficia Astral gelesen, sie stand in dieser Hinsicht J.P. Morgaunt kaum nach. Die für ihre Schönheit berühmte Tochter aus einer alten Neuengland-Familie aus Salem, Massachusetts, hatte den schwerreichen Erben der Familie Astral geheiratet, der selbst zu den sagenumwobenen Börsenzauberern von der Wall Street gehörte. Nun regierte sie unangefochten New Yorks feine Gesellschaft. Ohne ihren Segen wurde niemand in die besten Häuser eingeladen. Ohne ihre Anwesenheit konnte kein Ball und keine Abendgesellschaft als gelungen bezeichnet werden. Und eine Dame aus den feinen Kreisen würde eher tausend Tode sterben, als ein Abendkleid tragen, das der Robe der Maleficia Astral auch nur von ferne ähnlich sah.
Nach allem, was er aus der Zeitung über sie wusste, hatte Sascha Mrs Astral für hochnäsig und eingebildet gehalten. Stattdessen war sie … nun, einfach bezaubernd. Ihre Augen hatten das schillernde Grün von Kolibriflügeln. Ihre Kleidung war von tadelloser damenhafter Eleganz, schmiegte sich ihren fraulichen Formen an und umspielte ihre anmutigen Bewegungen wie Wasser einen Felsen. Und ihre Stimme, nun, wer von Maleficia Astral angesprochen wurde, für den versank der Rest der Welt – er dachte nur noch an sie.
»Du bist also Lilys junger Freund«, gurrte Mrs Astral. »Ich freue mich ja so, deine Bekanntschaft zu machen. Lily hat mir schon viel von dir erzählt.«
»Habe ich nicht!«, widersprach Lily taktlos.
»Aber Schatz, sei doch nicht so schüchtern! Selbstverständlich hast du das. Ich habe von dir viele vergnügliche Geschichten gehört über alles, was ihr gemeinsam erlebt habt.«
Sascha bezweifelte das, fand es aber nett von Mrs Astral, das zu sagen. Betört von ihrem Lächeln versuchte er seinerseits, nett zu Lily zu sein. Sicherlich war es nicht leicht, neben solch einer hinreißenden Mutter zu bestehen. Gewiss, Lily war auf ihre Art sehr hübsch, aber ihrer Mutter konnte sie in dieser Hinsicht nicht das Wasser reichen. Und was ihren Charakter betraf, da schlug sie offenbar ihrem Vater nach. Aber was für einen Industriekapitän hilfreich war, musste nicht unbedingt für ein junges Mädchen passend sein!
Der Tee wurde hereingebracht, und Mrs Astral machte sich eine Ehre daraus, Sascha zu bedienen. Sie fragte ihn, wie viel Milch und Zucker er in seinen Tee nehme, als wäre er ein Herr und nicht ein dreizehnjähriger Junge. Und als sie ihm die Tasse reichte, streifte ihre Hand die seine, und das verstärkte noch sein Gefühl, richtig erwachsen zu sein.
»Nun, Sascha«, sprach sie und sah ihn dabei mit ihren schillernden grünen Augen an, »jetzt muss du mir aber alles über deine faszinierende Arbeit mit Inquisitor Wolf erzählen. Für mich ist er ein Held. Ich würde ihn furchtbar gern kennenlernen!«
»Warum lädst du ihn dann nicht einfach zum Essen ein?«, unterbrach sie Lily.
Mrs Astral bedachte ihre Tochter mit einem kühlen Blick, so als habe sie erst jetzt deren Anwesenheit bemerkt und sei nicht sonderlich erfreut darüber. »Schatz, wie siehst du wieder aus? Wenn du schon so in die Öffentlichkeit gehen musst, kannst du dann nicht in einer Tasche ein paar anständige Sachen mitnehmen und dich umziehen, ehe du heimkommst? Wenn dich nun jemand so gesehen hätte?«
Ehe Lily etwas entgegnen konnte, hatte sich Mrs Astral schon wieder an Sascha gewandt.
»Wohin hat dich Inquisitor Wolf schon mitgenommen, Sascha? Ich hoffe, er hält dich nicht zu sehr von allem fern, sondern macht dich doch mit Leuten bekannt, die dir in deiner Karriere nützlich sein können. Hat er dich schon in Teddy Roosevelts Haus mitgenommen? Die beiden sind enge Freunde. Wenigstens waren sie es, als Teddy noch Polizeidirektor war.« Mrs Astrals Gesicht verdunkelte sich, als mache sie der Gedanke, dass der arme Teddy nun nicht mehr Polizeidirektor war, unsäglich traurig. »Es war ein schwerer Schlag für ihn, nach dem widerlichen Skandal die Stadt verlassen zu müssen. Er fühlte sich ja so beschämt, dass er nach Afrika Reißaus genommen hat und immer noch nicht heimgekehrt ist.«
»Ja«, sagte Lily genüsslich, »und als J.P. Morgaunt von Teddys Verschwinden gehört hat, ist er geradewegs in den Union Club gegangen, hat eine Kiste Champagner spendiert und gerufen: ›Auf dass der erste Löwe, auf den Teddy trifft, seine Pflicht erfülle!‹«
»Lily!«, schalt Mrs Astral ihre Tochter. »Ich weiß, dass der gute Mr
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