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Der Seelenfänger (German Edition)

Der Seelenfänger (German Edition)

Titel: Der Seelenfänger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Morgaunt niemals so etwas Blutrünstiges sagen würde.«
    Sascha hingegen fand, dass dieser Spruch dem guten Mr Morgaunt sehr ähnlich sah. Freilich fand er es rüpelhaft von Lily, dies jetzt beim Tee zu erwähnen. Und dass Mrs Astral so schockiert darüber war, bewies einmal mehr ihr feines Benehmen und ihr weibliches Zartgefühl.
    Sie schenkte Sascha noch eine Tasse Tee ein und fragte vertraulich: »Du musst doch eine große Hilfe für Inquisitor Wolf sein. Sicherlich hat er schon von deiner außergewöhnlichen Gabe Gebrauch gemacht. Stimmt es denn, dass du Magie erkennen kannst?«
    »Ja«, sagte Sascha, »aber ich mag damit nicht angeben.«
    »Aber mir kannst du es doch sagen«, ermunterte ihn Mrs Astral. »Ich sehe darin keine Angeberei. Ich kenne so viele ungewöhnliche Menschen. Ungewöhnliche Menschen sind mein Hobby.«
    »Wie andere Leute Pilze züchten«, murmelte Lily. »Sie hält sie im Dunkeln und bedeckt sie mit Mis…«
    »Was ist das nun schon wieder, Schatz?«, fuhr ihr Mrs Astral über den Mund. »Du solltest eigentlich wissen, dass man nicht nuschelt. Und runzle nicht so die Stirn. Du siehst sonst noch misslauniger aus, als du sowieso schon bist. Entschuldige bitte, Sascha, du wolltest mir erzählen, wie du Inquisitor Wolf hilfst, Hexen zu fangen. Woran erkennst du Hexen? Wie verraten sie sich?«
    Am anderen Ende des Sofas knallte Lily wütend ihre Teetasse auf die Untertasse, doch Sascha achtete nicht auf sie. »Nun …, ich sehe nicht jedes Mal die gleichen Anzeichen. Manchmal ist es wie ein Lichtschein oder eine Aura. Und manchmal spüre ich es eher, als dass ich es sehe.«
    Mrs Astral stützte das Kinn in eine Hand und beugte sich vor, als könne sie die Fortsetzung nicht erwarten. »Und muss eine Hexe vor deinen Augen zaubern, damit du das magische Fluidum siehst, oder siehst du es die ganze Zeit über?«
    »Das Zaubern muss vor meinen Augen stattfinden«, sagte Sascha. Aber das schien ihm jetzt nicht mehr besonders beeindruckend. Und er wollte Mrs Astral unbedingt beeindrucken. Deshalb fügte er in, wie er hoffte, geheimnisvollem Tonfall hinzu: »Meistens.«
    Mrs Astral richtete sich wieder auf und holte Luft. »Meistens? Und die übrige Zeit?«
    »Nun, da gibt es verschiedene Kennzeichen.«
    »Nämlich welche?«
    »Die üblichen«, sagte Sascha stockend. Er versuchte, sich aus der Lüge, in der er sich verfangen hatte, wieder zu befreien. »Spitze Nase, Warzen und Runzeln …«
    »Oh!« Mrs Astral lachte laut auf. Ihr Lachen empfand Sascha auf einmal als wenig freundlich, doch dann lächelte sie ihn wieder an und sogleich vergaß er diesen Eindruck. Ihre grünen Augen leuchteten, als sie sich vorbeugte und seine Hand tätschelte. »Wie schlau von dir!«
    Mrs Astral gähnte verhalten und schaute über Saschas Kopf hinweg auf die monumentale Standuhr. »Mein Gott, schon so spät!«, rief sie ganz erstaunt. »Wie rasch doch die Zeit in charmanter Gesellschaft vergeht! Sag mir doch, Sascha, wie gedachtest du denn heimzukommen? Wirst du von eurem Chauffeur abgeholt oder kann ich dir eine Fahrt in unserem Automobil anbieten?«
    »Nein, nein, vielen Dank!«, beeilte sich Sascha zu sagen. Er konnte sich gut das Gesicht vorstellen, das der Chauffeur beim Anblick der Mietskasernen in der Hester Street machen würde.
    »Wirklich, ich bestehe darauf. Ich weiß gar nicht, warum ich bisher noch nicht daran gedacht habe.« Lilys Mutter betätigte die Klingel, und ein Dienstmädchen in Uniform erschien so rasch, dass man glauben konnte, sie habe an der Tür gelauscht.
    »Biddy«, befahl Mrs Astral, »sagen Sie dem Chauffeur, er soll Mr Kessler nach Hause fahren. Ferner soll er von heute an jeden Abend, wenn er Lily abholt, auch Mr Kessler nach Hause fahren. Dann haben die beiden ein bisschen Zeit, nach der Arbeit entspannt zu plaudern. Ist das nicht eine tolle Idee?« Sie schenkte den beiden Kindern ein gütiges Lächeln und rauschte in einer Wolke aus Jasmin- und Orangenduft aus dem Zimmer.
    Kaum war ihre Mutter fort, trat Lily so heftig gegen den Tisch, dass der Tee in den Tassen überschwappte. »Ich weiß nicht, warum sie so nett zu dir ist!«, fauchte sie. »Irgendetwas muss sie von dir wollen, aber ich weiß beim besten Willen nicht, was!«
    »Was meinst du damit? Meinst du, ich habe ihr nichts zu bieten, weil ich arm bin?«
    »Offen gesagt, ja. Zumindest was meine Mutter betrifft. Sie ist so schrecklich snobistisch.«
    »Mir scheint aber, dass eher du der Snob bist, nicht sie. Sie ist doch nicht

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