Der Seelenfänger
daß sich noch in allerjüngster Zeit mehrere Personen in dem Haus aufgehalten hätten. Vermutlich befindet sich der Flüchtige noch in der näheren Umgebung der Stadt. Es wird weiter nach ihm gefahndet.«
Preacher verneigte sich erst vor Barbara, dann vor Elijah. »Ich sitze ja mit zwei äußerst berühmten Persönlichkeiten am Tisch«, frotzelte er.
»Berühmte Persönlichkeiten?« grinste Elijah. »Ich glaube, du spinnst, Mann. Wir sind Stars! Richtige Stars!« Er nickte zufrieden und schaufelte eine weitere Gabel mit Bratkartoffeln in sich hinein. »Sie haben nichts über meine Familie gesagt. Ich glaube, die sind jetzt erst einmal sicher vor ihnen.«
»Hoffen wir’s«, sagte Preacher. Er stocherte einigermaßen lustlos in seinem Omelette herum. Es schmeckte ihm nicht.
»Ich kann nicht länger mit euch herumziehen«, sagte Barbara plötzlich.
Preacher sah erstaunt hoch. »Was ist denn los?«
»Mein Onkel ist kein Idiot«, sagte sie. »Bei dir sucht er mich doch als erstes. Und er weiß genau, wo ihr lebt. Er hat ja schon den Gottessöhnen verraten, wo ihr zu finden seid.«
»Aber wo sollst du sonst hin?« fragte Preacher. »Kennst du irgendeinen Chinesen, der es riskieren würde, dir auch nur einen Schritt weiterzuhelfen? Dein Onkel hat vermutlich überall seine Informanten sitzen.«
»Der geht aufs Ganze«, sagte Barbara. »Und wenn er mich findet, gibt’s Mord und Totschlag. Ich möchte euch da nicht reinziehen.«
Preacher hörte ihr nachdenklich zu. Barbara hatte nicht unrecht. Die Gottesgemeinde war keine Kampftruppe. Früher oder später würde bekannt werden, wo sich Barbara aufhielt. Dann hatte er eine Idee. »Wartet einen Augenblick«, sagte er und stand auf. »Ich muß mal telefonieren.«
Das Telefon stand in einer Kabine am anderen Ende der Raststätte. Preacher warf eine Münze ein und gab der Vermittlung die Nummer. Das Rufzeichen summte. »Fünfundsechzig Cents«, verlangte die Stimme aus der Vermittlung.
Preacher warf weitere Münzen in den Apparat. Im gleichen Augenblick meldete sich seine Mutter. Ihre Stimme klang schläfrig. »Ja, bitte?«
»Hallo, Mutter«, sagte Preacher vergnügt.
»Constantine! Geht es dir gut?« Ihre Stimme war plötzlich besorgt.
»Ausgezeichnet, Mutter, glaub mir«, sagte er rasch.
»Ist dir eigentlich klar, daß es noch nicht mal halb sechs ist?«
»Ich weiß«, sagte er. »Tut mir leid, daß ich dich geweckt habe. Aber ich brauche deine Hilfe.«
»Hast du Schwierigkeiten, mein Junge?«
»Nein, Mutter, es geht nur um einen Gefallen. Eine Freundin von mir sucht eine Bleibe, und ich wollte dich fragen, ob du sie eine Weile bei dir unterbringen kannst, bitte.«
»Es ist doch ein ordentliches Mädchen?«
»Ja, Mutter.«
»Ein christliches Mädchen?«
»Ja, Mutter.«
»Kein Hippiemädchen?«
»Nein, Mutter. Ihr Bruder war mein Freund in Vietnam drüben. Er ist in meinen Armen gestorben. Jetzt ist ihr Vater gestorben, und ihr Onkel will ihr alles wegnehmen, was sie besitzt. Sie braucht einen Zufluchtsort, wo sie Ruhe hat, bis die Rechtsanwälte alles geklärt haben.«
»Und wie heißt sie?«
»Beverly«, sagte er zögernd. »Beverly Lee.«
»Lee?« fragte seine Mutter. »Was ist denn das für ein Name?«
»Das ist ein chinesischer Name. Aber sie ist Amerikanerin, Mutter, und sie war auf dem College. Sie macht dir bestimmt keine Arbeit. Sie kann dir Gesellschaft leisten. Das tut dir sicher ganz gut, wo du Vater nicht mehr hast. Wenn sie bei dir ist, hast du wieder jemand zum Reden.«
Seine Mutter zögerte. »Ist sie auch wirklich nett, Constanti-
ne?« »Ja, Mutter, da bin ich ganz sicher.« Immer noch spürte er Zweifel bei ihr. »Es wäre ein wirklicher Akt christlicher Nächstenliebe, wenn du sie aufnehmen würdest. Sie braucht eine Freundin wie dich.«
Preacher hörte, wie seine Mutter einen Seufzer ausstieß. »Gut«, sagte sie schließlich. »Ich werde es versuchen, aber wenn es ein schlechtes Mädchen ist, dann darf sie keine Minute hier bleiben.«
»Sie wird dir bestimmt keinen Ärger machen, Mutter. Gott wird es dir sicher vergelten.«
»Bringst du sie vorbei?«
»Das geht leider nicht, Mutter. Ich muß mich hier um einige sehr wichtige Sachen kümmern. Aber ich sorge dafür, daß sie heil bei dir ankommt.«
»Und wann ungefähr wird das sein?«
»Heute abend wahrscheinlich. Am besten gibst du ihr einfach mein Zimmer.«
»Das werde ich auf keinen Fall tun«, sagte sie mit Bestimmtheit. »Sie kann das Gästezimmer haben.«
»Auch
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