Der Seelenfänger
für alle. »Er hat niemandem etwas gesagt.«
»Ist jemand bei ihm im Wagen mitgefahren?«
»Nein, er war allein.«
Preacher schwieg.
»Was sollen wir tun, Preacher? Sie haben praktisch alles mitgenommen, was wir hier hatten.«
»Wir kommen schon klar«, sagte Preacher so entschlossen wie möglich. »Wir werden uns alle nur noch mehr Mühe geben müssen als bisher.«
»Aber wir können nicht alles schaffen. Es gibt ein paar Dinge, die sind einfach zu schwer für uns Frauen. Dafür brauchen wir Männer.«
»Unsere Hauptaufgabe besteht darin, Menschen zu Jesus Christus zu führen«, sagte er. »Dies könnt ihr ebensogut wie Männer. Doch als erstes müssen wir die Häuser aufräumen. Charlie, schick zwei von den Mädchen in die Küche, damit sie uns etwas kochen. Ich fahre inzwischen in die Stadt und versuche ein paar Mexikaner anzuheuern, die auf dem Feld die dringendsten Arbeiten erledigen.«
»Ich habe euch doch gesagt, daß Preacher uns nicht verläßt«, sagte Charlie zufrieden. »Tarz hat gelogen. Preacher ist wiedergekommen.«
»Das nützt doch nichts«, sagte Melanie mutlos. »Wir sind einfach nicht mehr genügend Leute, um weiterzumachen.«
Preacher wandte sich zu ihr um. »Das ist nicht wahr, Melanie. Erinnere dich, was Johannes in seinem zweiten Brief sagt.« Er spürte, wie seine Stimme Festigkeit gewann. »>Seht euch vor, daß ihr nicht verliert, was wir erarbeitet haben, sondern vollen
Lohn empfanget.«« Er unterbrach sich und konzentrierte sich auf ihre erwartungsvollen Gesichter. »Sollen Tarz und die anderen doch gehen. Auch dafür hat Johannes die richtigen Worte gefunden: >Wer weitergeht und bleibt nicht in der Lehre Christi, der hat Gott nicht; wer in der Lehre Christi bleibt, der hat beide, den Vater und den Sohn.<«
Er wandte sich um und verschloß den Safe. »So, das hätten wir hinter uns. Aber Gottes Arbeit liegt vor uns. Es wird Zeit, daß wir anfangen.«
Preacher ging quer durch die Gruppe hindurch zum Ausgang. In der Tür drehte er sich noch einmal um. »Ich komme in zwei Stunden zurück. Ich erwarte, daß ihr dann alle dabei seid, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. Ab morgen läuft dann alles wieder wie gehabt. Wir werden noch einsatzfreudiger für Jesus arbeiten als jemals zuvor. Habt ihr verstanden?«
Es gab ein kurzes Zögern, dann hörte er, was er wollte. »Ja, Preacher.«
Preacher stellte den Wagen auf dem Parkplatz der Bank ab, stieß energisch die Glastüren auf und marschierte zielsicher durch den Kassenraum zum Büro des Geschäftsführers. Die Sekretärin blickte ihn fragend an.
»Mein Name ist Preacher Talbot«, sagte er. »Ich möchte zu Mr. Walton.«
Das Mädchen nickte und griff zum Telefonhörer, um den Besucher anzumelden. Dann winkte sie Preacher. »Sie können gleich reingehen.«
Mr. Walton war ein schmächtiger, freundlicher Mann. Er streckte die Hand aus und lächelte. »Schön, daß Sie uns besuchen, Preacher Talbot.«
Preacher schüttelte ihm die Hand. »Guten Tag, Mr. Walton.«
Walton winkte ihm, Platz zu nehmen. »Was kann ich für Sie tun, Preacher?«
»Ich würde gern die Kontoauszüge der Gottesgemeinde ansehen«, sagte Preacher.
»Aber natürlich«, sagte Walton verbindlich und griff nach dem Telefonhörer. Irgendein Zug in Preachers Gesicht mußte ihn beunruhigt haben. »Stimmt etwas nicht«, fragte er.
Preacher hielt dem prüfenden Blick des anderen stand. »Ich bin mir nicht sicher. Unser Schatzmeister hat uns verlassen, als ich auf einer Geschäftsreise war, und es sieht so aus, als ob er nicht mehr zurückkäme.«
Das Lächeln war aus dem Gesicht des Bankdirektors verschwunden. Eine Minute später hielt Preacher den Kontoauszug in der Hand. Die Zahlen waren eindeutig: die Gottesgemeinde hatte keinerlei Guthaben mehr.
Preacher sah auf und bemerkte, daß ihn Walton beobachtet hatte. »Könnten Sie bitte feststellen lassen, ob die letzte Hypothekenrate bezahlt worden ist?«
Es stellte sich heraus, daß nichts einbezahlt worden war. Die Summe war seit Wochen schon fällig. Walton zeigte Verständnis. Er werde selbstverständlich gern eine längere Zahlungsfrist einräumen, sagte er. Er sei in gar keiner Weise beunruhigt, da der Grundbesitz der Gottesgemeinde ihm als Sicherheit vollkommen ausreiche.
Nachdem Preacher die Bank verlassen hatte, suchte er eine Telefonzelle auf und ließ sich mit seiner Mutter verbinden. »Ist Beverly schon bei dir?« fragte er.
»Nein, bisher noch nicht«, sagte sie.
»Sobald sie eintrifft, sag
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