Der Seelenfänger
in eurer Kommune, genauso, wie es diese Mordbande tat.«
»Aber jeder weiß doch, daß wir völlig harmlos sind. Wir haben nie mit irgendwem Ärger gehabt. Es muß uns folglich irgendwer angeschwärzt haben.«
»Ich weiß es nicht, Preacher, das kannst du mir glauben. Ich hab bloß gehört, daß sie bei der Predigt am letzten Sonntag überall in den Kirchen über die Hippies geredet haben, über den schamlosen Umgang mit Drogen und Sex und so weiter. Sie haben gesagt, es wäre kein Wunder, daß solche Gottlosigkeit dazu führte, daß man harmlose Menschen ermordet. Manson sei auch so ein Hippie gewesen.«
Preacher atmete tief durch. Das hätte er sich denken können. All seine Versuche, mit der örtlichen Geistlichkeit Kontakt aufzunehmen, waren abgeblockt worden. »Danke, Mike«, sagte er. »War nett von dir, mir zu sagen, was los ist.«
Auch vor der Einfahrt zum Parkplatz der Post hing das Schild »NICHT FÜR LASTWAGEN«. Preacher ließ den Dodge lieber gleich auf der Straße, ging zu seinem Postfach und machte es auf. Ungefähr fünfzehn Briefe waren gekommen. Er schob sie in die Tasche und schloß das Fach wieder. Der Beamte hinter dem Schalter beobachtete ihn. Normalerweise hielt Preacher einen kleinen Schwatz mit dem Mann, wenn er die Post holte, aber diesmal wandte sich der Beamte eilig ab und kramte in seinen Papieren, als ihre Blicke sich trafen. Preacher verstand und ging wortlos wieder hinaus.
Draußen im Wagen sah sich Preacher die Post an. Gleich der erst Brief war ein Schock. Er war in unbeholfenen Druckbuchstaben geschrieben: »HAUT AB, IHR DRECKIGEN HIPPIES, BEVOR WIR EUCH RAUSPRÜGELN AUS EUERM LOCH!« Eine Unterschrift fehlte. Rasch riß Preacher die anderen Umschläge auf. Sie enthielten ähnliche Drohungen, nirgendwo war ein Absender drauf. Alle Briefe waren gestern abgestempelt worden und stammten aus Los Altos und der näheren Umgebung. Schweigend schob sie Preacher in die Ablage unter dem Armaturenbrett und ließ den Motor an. Über Nacht hatte sich alles geändert, und er war vollkommen hilflos dagegen.
Er warf einen Blick in den Rückspiegel, als er aus seiner Parklücke fuhr. Ein Streifenwagen der Polizei war gerade um die Ecke gebogen und hängte sich an. Preacher bemühte sich, ganz vorschriftsmäßig zu fahren, und beachtete die Geschwindigkeitsbeschränkungen sorgfältig. Am Stadtrand bog er auf den Highway ein, der zur Gottesgemeinde hinausführte. Aber auch als er die Stadtgrenze längst hinter sich hatte, fuhr der Streifenwagen noch hinter ihm her. Preacher behielt sein Tempo noch ein paar Minuten lang bei, dann blinkte er und fuhr auf die Standspur.
Sofort hielt der Streifenwagen neben ihm an. Einer der beiden Beamten lehnte sich aus dem Fenster. »Stimmt was nicht?« fragte er lauernd.
»Danke, alles bestens«, erwiderte Preacher.
»Und wieso halten Sie dann?« fragte der Polizist. Preacher lächelte freundlich. »Ich dachte, es interessiert Sie vielleicht, daß wir schon fünf Kilometer außerhalb der Stadtgrenzen sind.«
Der Polizist wurde rot, warf erst seinem Fahrer, dann Preacher einen wütenden Blick zu. »Wir suchen nur eine geeignete Stelle zum Wenden«, erklärte er schließlich.
»Bitte sehr«, sagte Preacher. »Die ganze Straße ist frei. Tun Sie sich keinen Zwang an.«
Ein gefährliches Glitzern trat in die Augen des Polizisten. »Was sind Sie für einer? Ein Witzbold?«
»Nein, Sir«, gab Preacher zurück. »Ein Staatsbürger, der Ihnen behilflich sein möchte. Ich versuche nur zu verhindern, daß Sie Ärger mit der Highway Patrol kriegen. Die mögen es nämlich gar nicht, wenn man ihren Kompetenzbereich nicht respektiert. Das wissen Sie doch, oder?«
Der Polizist schob den Unterkiefer vor und suchte vergeblich nach einer passenden Antwort. Schließlich nickte er mißmutig, und der Fahrer legte den Gang ein. Der Streifenwagen wendete mit kreischenden Reifen und schoß zurück in die Stadt. Preacher wartete noch einen Moment, dann setzte er seinen Weg fort. Er fühlte sich irgendwie besser, auch wenn er wußte, daß es kein Sieg war.
Das Dröhnen der schweren Motoren überraschte sie, als sie sich eben zu Tisch setzen wollten. Als der erste Stein durchs Fenster klirrte, stand Preacher bereits an der Tür. Aber ehe er draußen war, hatten die Angreifer ihre Maschinen schon wieder gewendet und rasten zwischen den Häusern den Hügel hinauf. Im Zwielicht der Dämmerung erkannte Preacher vier schwere Motorräder, deren Fahrer einheitlich weiße Sturzhelme
Weitere Kostenlose Bücher