Der Seelenfänger
Ausmaß ihrer sozialen Tätigkeit selbst zu bestimmen. Nicht umsonst gibt es mehr als zwanzig verschiedene baptisti-sche Organisationen im, Land.«
»Du hast meine Frage nicht beantwortet«, sagte Randle pikiert. »Was genau hast du vor? Willst du ihnen tatsächlich helfen?«
»Wir haben ihnen schon geholfen«, sagte Preacher und zog eine achtseitige, kleinformatige Zeitung aus seinem Schreibtisch.
Randle starrte die Zeitung an, die Preacher ihm hingelegt hatte. Auf den ersten Blick sah sie beinahe aus wie das Magazin der Moralischen Mehrheit. Aber die dicken schwarzen Buchstaben auf der Titelseite ergaben dann doch einen anderen Namen: »MAGAZIN DER GRÖSSEREN MINORITÄT«. Darunter stand in kleinerer Schrift: »Die Kehrseite der Medaille«. Unter der großen Überschrift »CREDO« war auf der Titelseite das Foto eines schwarzen Pfarrers zu sehen.
»Reverend Josephus Washington«, stand darunter.
Dann folgte der Text:
»Weil wir glauben, daß es für gute Christen nicht nur eine Ansicht der Welt geben kann und alle Christen das gleiche Recht haben, ihre Meinung zu sagen, haben wir diese Zeitung gegründet. Wir wollen ein Forum für alle christlichen Standpunkte sein, unabhängig davon, ob wir sie teilen oder nicht, und auf diese Weise den wahren baptistischen Geist der religiösen Unabhängigkeit und Freiheit bewahren, der das Kennzeichen unseres Glaubens ist und weiterhin sein wird.«
»Himmelarsch!« sagte Randle und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Das ist ja übelste politische Agitation! Ihr habt sogar ein
Bild von diesem Nigger auf die erste Seite getan. Herausgeber! Ein Nigger als Herausgeber! Warum übergibst du ihm nicht gleich den ganzen Laden hier mit allem Drum und Dran?«
»Das habe ich bereits getan«, sagte Preacher. »Ich habe mir gleich gedacht, daß Sie Schwierigkeiten machen wegen der Schwarzen. Deshalb habe ich dafür gesorgt, daß sie gar nicht nach Churchland zu kommen brauchen. Wir haben hier sowieso genug andere Dinge zu tun. Deshalb wird das gesamte Franchising-Unternehmen jetzt in die Gottesgemeinde verlegt. Nach Los Altos.«
Randle war sprachlos.
»Auf diese Weise bleibt es Ihnen erspart, Hunderte von Schwarzen in Churchland zu sehen«, ergänzte Preacher gelassen.
»Und was passiert hier?« fragte Randle.
»Die üblichen Geschäfte. Fernsehaufnahmen und so weiter.«
»Und das Geld?«
»Läuft über unsere Computer.«
Randle dachte einen Augenblick nach. »Diese Nigger haben verdammt viele Stimmen. Wie stellen wir sicher, daß sie die richtige Partei wählen?«
Preacher lächelte. »Wir sorgen dafür, daß sie Gelegenheit haben, sich zu artikulieren, und wir sagen ihnen die Wahrheit. Dann müssen sie selber entscheiden. Vergessen Sie bitte nie, was unsere Aufgabe ist, Sir!«
Randle sah ihn fragend an. »Welche Aufgabe?«
»Gottes Wort zu verbreiten, das ist unsere Aufgabe. Unsere Kanzeln sind keine Tribünen für irgendwelche reaktionären politischen Ziele.«
»Und was glaubst du, wie diese Zeitung sich auswirkt?«
»Nicht anders als das Magazin der Moralischen Mehrheit. Es handelt sich um ein vollkommen selbständiges Unternehmen, das mit der Kirche der amerikanischen Christen oder der Gottesgemeinde nicht mehr zu tun hat als das Magazin der Moralischen Mehrheit mit der Liberty Baptist Church. Nur daß eben unser Chefredakteur zufällig Joe Washington heißt, so wie der vom Mehrheits -Magazin Jerry Falwell.«
»Das gibt bestimmt Ärger«, sagte Randle. »Unsere weißen Freunde werden sich von dir abwenden.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Preacher. »Die Computeranalysen der neuesten Meinungsumfragen haben ergeben, daß die weißen Christen zum größten Teil gegen die unsoziale Rüstungspolitik von Präsident Reagan sind.«
»Ich finde, du verläßt dich viel zu sehr auf diesen verdammten Computer«, sagte Randle.
»Das habe ich von Ihnen übernommen. Wer hat mir denn gesagt, man könne heutzutage kein größeres Unternehmen mehr leiten, ohne jeden Tag den Computer zu befragen? Bisher hat uns das auch noch niemals geschadet.«
Der alte Mann stand schwerfällig auf. »Unseren wichtigen Freunden in der Industrie wird das alles aber gar nicht gefallen.«
Preacher erhob sich ebenfalls. »Wenn Sie sich beschweren, kann ich gern gehen. Ich habe keinen Vertrag mit Ihren wichtigen Freunden. Ich bin nur unserem Herrn Jesus Christus verpflichtet.«
Als er die Stimme seiner Mutter erkannte, war er sehr überrascht. Sie rief ihn sonst nie im Büro an. »Du klingst
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